Das Schweizer Seilbahninventar
Seilbahnen – Standseilbahnen, Pendelbahnen, Umlaufbahnen und Skilifte – können technische
Denkmäler sein. Das Schweizer Seilbahninventar liefert die fundierte Beurteilung des denkmalpflegerischen
Wertes der Seilbahnen in der Schweiz. Der Bestand der von Bund und Kantonen reglementierten
Seilbahnen umfasst rund 3000 Anlagen. Deren 129 wurden aufgrund ihrer besonderen kulturhistorischen
und/oder technischen Bedeutung ins Inventar aufgenommen: Das Inventar umfasst
67 Seilbahnen von nationaler und 44 Anlagen von regionaler Bedeutung im Sinne des Bundesgesetzes
vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) sowie 18 besonders innovative
Seilbahnanlagen, die weniger als 20 Jahre alt sind und deshalb noch nicht eingestuft werden konnten.
Seilbahnen sind komplexe technische Systeme. Sie sind Werke innovativen vielschichtigen
Schaffens und bilden ein spannungsvolles Zusammenspiel technischer und wirtschaftlicher, politischer,
sozio-kultureller und landschaftlicher Faktoren. Die Bestimmung von Seilbahnanlagen als
Denkmäler setzt daher in der Betrachtung aller sich wechselseitig beeinflussenden Grössen an. Zudem
sind Seilbahnen wie andere Transporteinrichtungen ausserordentlich dynamische Güter. Die
fortwährende Entwicklung und die rasche Veränderung der Anlagen gehören zum Wesen dieser technischen
Einrichtungen. Sowohl Komplexität als auch Dynamik bilden einen massgeblichen Aspekt
des Zeugniswertes von Seilbahninstallationen.
Anwendung und Wirkung des Inventars
Das Bundesamt für Kultur BAK als Fachstelle des Bundes für Denkmalpflege, Archäologie und Ortsbildschutz,
das Bundesamt für Verkehr BAV als Leitbehörde der Konzessions- und Plangenehmigungsverfahren
für Seilbahnen nach Bundesrecht, die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege
EKD, der Verband Seilbahnen Schweiz SBS, das Interkantonale Konkordat für Seilbahnen und
Skilifte IKSS sowie die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK haben gemeinsam das
Inventar der Schweizer Seilbahnen erstellt und anerkennen die darin festgelegten Einstufungen.
Das Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über Seilbahnen zur Personenbeförderung (SebG; SR 743.01)
regelt das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Sicherheitsbauteilen und Teilsystemen
für Seilbahnen. Es gilt für alle Transportanlagen mit Seilantrieb, die der Personenbeförderung dienen,
wie Luftseilbahnen, Standseilbahnen, Skilifte. Das Seilbahngesetz unterscheidet zwischen zwei
Kategorien: eidgenössisch konzessionierte Seilbahnen und kantonal bewilligte Anlagen.
Eidgenössisch konzessionierte Seilbahnen
Eidgenössisch konzessionierte Seilbahnen sind für die regelmässige und gewerbsmässige Personenbeförderung
von mehr als acht Personen pro Fahrspur bestimmt. Sie unterstehen dem BAV und benötigen
eine Konzession, eine Plangenehmigung und eine Betriebsbewilligung des Bundes. Das BAV gibt
die technischen Anforderungen vor, die sich auf das Seilbahngesetz und die dazugehörige Seilbahnverordnung
(SebV; SR 743.011) stützen. Eidgenössisch konzessionierte Seilbahnanlagen werden vom
BAV bezüglich sicherheitstechnischer Aspekte in Form von Audits und Betriebskontrollen überprüft.
Die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen (mit Einschluss der Plangenehmigung) wie
zum Bau und Betrieb von Seilbahnen stellen Bundesaufgaben im Sinne des Natur- und Heimatschutzgesetzes
dar (Art. 2 NHG). Bei der Erfüllung von Bundesaufgaben sorgt der Bund dafür, dass
Kulturdenkmäler geschont werden und, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert
erhalten bleiben (Art. 3 NHG). Zur Umsetzung dieser Bestimmung holt das BAV gemäss
dem Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010) als
Leitbehörde in seilbahnrechtlichen Verfahren Stellungnahmen der Fachbehörden des Bundes ein.
Das BAK beurteilt die Vorhaben aus der Sicht der Denkmalpflege. Das BAV wägt alle Interessen
gegeneinander ab und einigt sich mit den verschiedenen Fachbehörden oder führt ein Bereinigungsverfahren
gemäss Art. 62b RVOG durch.
Diese gesetzlichen Bestimmungen bestehen unabhängig von der Aufnahme einer Anlage in das Inventar.
Hingegen gewährleistet das Inventar aufgrund der umfassenden Übersicht eine systematische
Beurteilung des kulturhistorischen Wertes der Objekte und macht die Betreiber zu einem frühen Zeitpunkt
auf die Bedeutung ihrer Anlage aufmerksam. Es vereinfacht die zukünftigen Verfahren, weil
die Einstufung nicht mehr fallweise im Rahmen von Einzelprojekten festgestellt werden muss. Das
BAK nimmt in der Regel nur zu Vorhaben Stellung, die Seilbahnanlagen von nationaler Bedeutung betreffen.
Dem Resultat der in den Bewilligungsverfahren durchzuführenden Interessenabwägung wird
durch das Inventar nicht vorgegriffen.
Kantonal bewilligte Seilbahnen
Bei Installationen ohne regelmässige und gewerbsmässige Personenbeförderung oder bei Anlagen,
die eine Förderkapazität von weniger als acht Personen pro Fahrspur aufweisen, zeichnen die Kantone
für die Bau- und Betriebsbewilligungen verantwortlich. Deren technischen Anforderungen sind
im Reglement über Bau und Betrieb der nicht eidgenössisch konzessionierten Seilbahnen, Skilifte
und Schrägaufzüge vom 18. Oktober 1954 und in der durch die Konkordatskonferenz vom 2. November
2006 genehmigten Anpassung des Abschnitts I an das Seilbahngesetz festgelegt. Die in Meiringen
eingerichtete Kontrollstelle des Konkordats ist zuständig für die Sicherheitsüberwachung der kantonal
bewilligten Seilbahnen und Skilifte sowie Spezialanlagen. Sie führt periodische Inspektionen
durch und begutachtet Zustand, Betrieb und Instandhaltung. Die denkmalpflegerische Beurteilung
von Seilbahnanlagen und die Durchführung der entsprechenden Interessenabwägung im Rahmen des
Bewilligungsverfahrens obliegen den Kantonen. Sie werden in der Regel unter Beizug der kantonalen
Fachstellen für Denkmalpflege durchgeführt.
Inhalt und Methodik des Inventars
Das Inventar dokumentiert den Bestand der historischen Seilbahnen der Schweiz mit Stichdatum
Dezember
2010. Begonnen wurde das Projekt im Januar 2008, die Feld- und Inventarisierungsarbeiten
fanden vorwiegend im Jahr 2009 statt, die Fertigstellung des Inventars erfolgte 2010.
Die Terminologie für die Beschreibung der Anlagen und die Bezeichnung von Komponenten
richten sich nach der Richtlinie 2000/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März
2000 über Seilbahnen für den Personenverkehr, nach der eidgenössischen Seilbahngesetzgebung
und dem Reglement über Bau und Betrieb der nicht eidgenössisch konzessionierten Seilbahnen, Skilifte
und Schrägaufzüge vom 18. Oktober 1954 sowie nach der durch die Konkordatskonferenz vom
2.11.2006 genehmigten Anpassung des Abschnitts I an das Seilbahngesetz.
Die vom BAV, dem Bundesamt für Statistik BfS, dem IKSS und dem SBS geführten strukturierten
Daten zu allen Seilbahnen der Schweiz wurden zusammengeführt, qualifiziert, ergänzt und als Inventargrundlage
vereinheitlicht dargestellt. Dieser Gesamtbestand umfasst 2934 Anlagen.
Bei den verantwortlichen Institutionen nicht registrierte Anlagen blieben unberücksichtigt.
Klassierte militärische Einrichtungen sowie Anlagen, die im Sinne betrieblicher Installationen als feste
Anlageteile von Gebäudekomplexen oder Einrichtungen qualifiziert werden können, wurden von der
Betrachtung ebenfalls ausgeschlossen: Schrägaufzüge und Aufzugsvorrichtungen in Wohn- respektive
Terrassensiedlungen, in Fabrikkomplexen oder in militärischen Festungsbauwerken sind deshalb
wie alle Vertikalaufzüge ausgeklammert. Auch die Gattung der mobilen, als Übungs- oder Zubringerlifte
eingesetzten Kleinskilifte wurde ausgeschlossen. Aufzüge, wie beispielsweise der Hammetschwandlift
am Bürgenstock oder der Mattenlift in Bern (Senkeltram), sind per definitionem keine
Seilbahnen und daher ebenfalls nicht Gegenstand des Inventars.
In einem qualitativen und iterativen Ausschlussverfahren durch eine vergleichende Analyse,
wofür neben der Zeitgrenze 1980 namentlich auch die erstmalige Realisierung und der Zeitpunkt der
Markteinführungen von Systemen und Produkten zu berücksichtigen waren, wurde der Gesamtbestand
mithilfe von zusätzlichem Bild- und Quellenmaterial überprüft, summarisch bewertet und auf
175 Bahnen eingegrenzt. Für jede dieser Anlagen, differenziert nach den Gattungen «Standseilbahn»,
«Pendelbahn», «Umlaufbahn» und «Skilift», umschreibt ein Objektblatt entsprechend der Systematik
des europäischen und schweizerischen Regelwerks die grundlegenden Teilsysteme und Komponenten.
Es wurde den jeweiligen Betreibergesellschaften zur Korrektur und Ergänzung zugestellt und
fortlaufend verifiziert.
Die kulturgeschichtliche und seilbahntechnische Bedeutung jeder Anlage wurde aufgrund verschiedener
Bewertungskategorien anhand einer fünfstufigen Skala beurteilt, die Bewertungen von
«bescheiden», «durchschnittlich», «hoch», «sehr hoch» bis «herausragend» zulässt. Da sich die verschiedenen
Seilbahntypen hinsichtlich ihrer technischen Komplexität und des Umfangs baulicher
Komponenten erheblich unterscheiden, wie dies etwa die Gegenüberstellung von Pendelbahn und
Skilift zeigt, wurden die einzelnen Bewertungskategorien entsprechend unterschiedlich gewichtet.
Das grösste Gewicht wurde den Kriterien Seilbahntechnik und Authentizität beigemessen.
Die kulturgeschichtliche und seilbahntechnische Bedeutung jeder Anlage wurde aufgrund verschiedener
Bewertungskategorien anhand einer fünfstufigen Skala beurteilt, die Bewertungen von
«bescheiden», «durchschnittlich», «hoch», «sehr hoch» bis «herausragend» zulässt. Da sich die verschiedenen
Seilbahntypen hinsichtlich ihrer technischen Komplexität und des Umfangs baulicher
Komponenten erheblich unterscheiden, wie dies etwa die Gegenüberstellung von Pendelbahn und
Skilift zeigt, wurden die einzelnen Bewertungskategorien entsprechend unterschiedlich gewichtet.
Das grösste Gewicht wurde den Kriterien Seilbahntechnik und Authentizität beigemessen.
Die Aufgabe, einen Transportweg in einer anspruchsvollen Topografie und/oder in einer spektakulären
Landschaft zu realisieren, stellt seit jeher eine grosse technische, finanzielle, politische und
gestalterische Herausforderung dar. Die konzeptionellen Basisentscheidungen bilden die massgebliche
Voraussetzung für einen sowohl in technischer als auch wirtschaftlicher Sicht erfolgreichen
Bahnbetrieb. Dem Grundkonzept eines Bahnsystems und insbesondere der Linienführung kommt bei
der Untersuchung von Seilbahneinrichtungen daher eine hohe Bedeutung zu. Die grundlegende Idee –
die Vision – und die Linienführung werden in der Kategorie Konzeption umschrieben und gewürdigt.
Seilbahnen setzen sich aus mehreren Teilsystemen wie beispielsweise der «Fahrbahn» und der
«Seiltechnik», dem «Antriebs- und Bremssystem», den «Fahrbetriebsmitteln» oder der «Elektronik
und Kommunikation» zusammen. Die einzelnen Komponenten der Teilsysteme bilden den Kern dieser
grossmassstäblichen Technikinstallationen: Sie wurden gesondert betrachtet und in einem technischen
Datenblatt spezifiziert. In der Kategorie Seilbahntechnik werden die technischen Eigenheiten
umrissen und bewertet. Von besonderem Interesse sind jeweils die Fragen, ob die Konstruktionen und
Ausführungen von «besonderer» oder «typischer» Art sind und welche Bedeutung die Lösungen innerhalb
der einzelnen Seilbahnkategorie haben.
Einzelne Seilbahnkomponenten, insbesondere natürlich die Stationskomponenten, können
von Bauwerken umhüllt oder in baulichen Komplexen integriert sein. Neben der einfachen Funktion
des eigentlichen Schutzes der Anlage können Hochbauten weitere, vielfältige Bereiche umfassen,
wie beispielsweise die Benutzerabfertigung, die Wartehalle, den Werkstattbereich, Depoträume oder
Betriebswohnungen. Zur Bahninfrastruktur zählen vor allem bei der Gattung der Standseilbahnen
neben
den Hochbauten auch eine Vielzahl von Streckenbauwerken. Den konstruktiven, ästhetischen
und bautypologischen Aspekten der gebauten Infrastruktur wird in der Kategorie Baukunst: Streckenbauwerke
und Hochbauten Rechnung getragen.
Authentizität bezieht sich im Zusammenhang mit Baudenkmälern vornehmlich auf die Originalität,
d.h. auf die ursprüngliche, möglichst vollständig überlieferte Materie mit all ihren Zeitspuren.
Seilbahnanlagen sind jedoch dynamische technische Systeme. Um ihre Funktion erfüllen zu können,
müssen sich technische Einrichtungen laufend neuen Erfordernissen stellen; kontinuierliche Anpassungen
sind daher unabdingbar. Die Authentizität eines sich stetig wandelnden technischen
Denkmals hängt von der Art und Weise ab, wie sich dessen Komponenten – die materielle Substanz
sowie die ideellen Faktoren wie Nutzung und Funktion – erhalten respektive entwickelt haben. Dynamische
technische Kulturobjekte können als authentisch bezeichnet werden, wenn ihr Wandel und
ihre Entwicklung dem Massstab und den relevanten, Wert bestimmenden Charakteristika der Anlage
entsprechen. Unter Wandel und Entwicklung von Anlagen werden insbesondere bauliche und technische
Anpassungen begriffen, die im Bereich der Sicherheitseinrichtungen erfolgen oder die der Effizienzsteigerung
und dem Komfort dienen, wie beispielsweise die Modernisierung von Kabinen. An
der Unversehrtheit bemisst sich die Ganzheit und Intaktheit des Kulturguts und seiner spezifischen
Merkmale, d.h. seine Integrität. Alle wesentlichen Komponenten, die zur Bedeutung der Installation
beitragen, müssen umfassend abgebildet sein. Authentizität und Unversehrtheit werden im Kriterienund
Bewertungskatalog mittels der Kategorie Authentizität: materielle und ideelle Überlieferung dargestellt.
Die in der Kategorie Kulturgeschichte abgebildeten Kriterien und Aspekte widerspiegeln die individuellen
und vielschichtigen Zusammenhänge bezüglich der Planung und Realisierung von Seilbahnanlagen.
Zum einen sind personen- und/oder firmengeschichtliche Umstände beleuchtet, zum anderen
die spezifischen wirtschaftlichen, touristischen und verkehrstechnischen oder militärischen
Prämissen dargelegt.
Seilbahnen können sich mit besonderen natürlichen Faktoren überlagern oder mit diesen interagieren.
Seilbahnanlagen und landschaftlich-örtlicher Kontext stehen in einer Wechselwirkung. Die
ausgewählten Installationen werden daher auch in ihrer räumlichen Situation betrachtet. Es wird
ihre Stellung in der Landschaft beurteilt, aber auch der landschaftliche Umraum selbst wird charakterisiert
und qualifiziert. Dieser Aspekt wird im Hauptkriterium Räumliche Situation abgebildet.
Bei grossmassstäblichen Einrichtungen wie Seilbahnen kann das ganzheitliche Zusammenwirken
unterschiedlicher Faktoren eine zentrale Rolle spielen: In vielen Fällen steht eine Seilbahn
nicht isoliert im Raum, sondern ist Teil einer zusammenhängenden oder übergeordneten Infrastruktur.
Die erschliessungsspezifischen, touristischen und/oder betrieblichen Zusammenhänge werden in
der Rubrik Infrastruktur berücksichtigt.