Die kleine Standseilbahn am Südrand der Altstadt von Lugano verbindet die an den Quai anschliessende Piazza Luini mit der Via Clemente Maraini, die zum Bahnhof von Lugano führt. Die Bahn entstand als Zubringerbahn zum Grand Hotel Bristol. Das in erhöhter Aussichtslage durch den Tessiner Architekt Paolito Somazzi (1873-1914) erstellte Hotel wurde 1903 eröffnet.
Bereits 1907 reichte der Ingenieur Mario Maffei ein erstes Konzessionsgesuch zum Bau der Standseilbahn ein. Erst die 1910 gegründete Betriebsgesellschaft «Socièta Funicolare degli Angioli» unter dem Vorsitz des Architekten Otto Maraini (1859-1940) erhielt die Konzession. 1911 lag das definitive Projekt vor und 1913 konnte die Bahn eröffnet werden. Die Seilbahnanlage lieferte die damals für ihre Aufzüge berühmte Mailänder Firma Officine Meccaniche Stigler (ab 1947 Stigler-Otis).
Es entstand eine eingleisige Standseilbahn ohne Ausweiche und mit einem Wagen. Eigentlich handelt es sich hier um einen Schrägaufzug mit Gegengewicht und elektrischem Antrieb.
Die kurze gerade Strecke verfügt über vergleichsweise aufwändige Kunstbauten. Die parallel zur 1905 fertig gestellten Treppenanlage Gradinata degli Angioli angelegte Bahnlinie verläuft im unteren Teil über eine massive Konstruktion aus Natursteinquadern. Kurz vor der Bergstation überquert die Linie auf einer genieteten Stahlbrücke (Vollwandträger) die Via Giuseppe Motta.
Die neben der Kirche Santa Maria degli Angioli (erb. 1499-1515) liegende Talstation ist offen. Die historistisch gestaltete Bergstation hat die Form eines Turms, der ursprünglich mittels einer Passerelle direkt mit dem Hotel Bristol verbunden war. Der reich gegliederte Putzbau unter schwach geneigtem Zeltdach besitzt eine offene Einfahrtshalle mit filigranen Gusseisenstützen. In diesem turmartigen Bau ist neben dem Antrieb auch der Schacht mit dem Gegengewicht untergebracht.
Das zweiachsige, mit Zangenbremse ausgerüstete Fahrgestell der Firma Stigler gehört zum Originalbestand. Der schlichte, aus Metall gefertigte Wagenkasten mit hölzerner Innenausstattung kann 28 Fahrgäste aufnehmen.
Die Komponenten der Antriebsgruppe in der Bergstation stammen weitestgehend aus der Bauzeit. Letzte kleinere Umbauten der Bahn wurden 1978 vorgenommen.
1986 stellte das seit 1973 der Stadt Lugano gehörende Bähnchen seinen Betrieb ein. Das renommierte Hotel Bristol an der Bergstation wurde bereits 1981 geschlossen und 1995 wurden im imposanten Hotelgebäude Eigentumswohnungen eingebaut.
Die stillgelegte Bahnanlage mit der eleganten Bergstation hat sich bis heute im Stadtbild von Lugano erhalten.
Die einspurige Standseilbahn mit Gegengewicht in der turmartig ausgebildeten Bergstation ist einzigartig in der Schweiz. Sie beeindruckt aufgrund eines bemerkenswerten Anteils an ursprünglicher Substanz und weist als Erschliessungsbahn zum Grand Hotel Bristol eine hohe typologische und tourismusgeschichtliche Bedeutung auf. Die neben der Treppe Gradinata degli Angeli verlaufende Strecke bildet ein markantes Element im Stadtbild von Lugano. Die auch technikgeschichtlich bedeutende Bahn der in erster Linie als Liftfabrikantin in Erscheinung tretenden Mailänder Firma Stigler ist seit Ende 1986 ausser Betrieb.
| | |
Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) | | Hotelerschliessung: vom Südrand der Altstadt von Lugano, vom Quai aus zum Eingang des höher gelegenen Grand Hotel Bristol (1903 fertiggestellt, bis 1981 in Betrieb, heute Eigentumswohnungen); später auch Stadtbahn |
Linienführung: Planung, Umsetzung | | sehr kurze, gerade Strecke; vergleichsweise aufwändige Kunstbauten zur Erreichung der idealen Seilbahnlinie; parallel zur Treppenanlage Gradinata degli Angioli von 1905, die das Hotel Métropol u. das Hotel Bristol mit der Seepromenade verbindet; im oberen Teil Strasse überbrückend u. um den Niveauunterschied auszugleichen, in Bergstationsturm endend |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | eingleisiger Schrägaufzug mit elektrischem Antrieb; Antrieb u. Gewichtsschacht in der als "Turmhaus" ausgebildeten Bergstation; zwei dünne Zugseile |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller | | weitestgehend aus der Ursprungszeit überlieferte, in der Schweiz einzigartige Seilbahnanlage der zu dieser Zeit sehr berühmten Mailänder Aufzugsunternehmung Officine Meccaniche Stigler (ab 1947 Stigler-Otis); |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | | aufwändige Streckenbauwerke: im unteren Bereich massive Brückenkonstruktion (mit Natursteinquadern gefügtes Mauerwerk); vor der Bergstation Überbrückung der Strasse in genieteter Stahlkonstruktion (Vollwandträger) |
Architektur | | Talstation offen; historistisch ausgebildete Bergstation in Form eines Renaissance-Wohnturms, der mittels einer Passerelle unmittelbar mit dem Hotel Bristol verbunden war (heute kupiert); Inszenierung der Bergstation im Kontext verschiedener historistischer Bauwerke (neben dem Geleise neogothisches Turmhaus, Hotel Bristol mit neobarocken Formen,...) |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | hoher u. entsprechend dem klassischen Kanon sehr reich gegliederter, verputzter Massivbau mit schwach geneigtem Zeltdach; beim Einfahrtsbereich auf filigranen Gusseisenstützen liegendes Schleppdach; Abbruch der ehemaligen Verbindungspasserelle |
bautypologische Bedeutung | | trotz Abbruch der Verbindungspasserelle nach wie vor eindrückliches, reich instrumentiertes u. auffällig inszeniertes Bauwerk, das sowohl wesentlicher Bestandteil der Seilbahnanlage ist als auch als architektonisches Zeugnis einen hohen Wert hat |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten | | in grossem Umfang aus der ursprünglichen Erstellungszeit erhalten |
Qualität der Nachrüstungen | | Erneuerung des Wagenaufbaus (1950er-Jahre) |
funktionale Unversehrtheit | | gekappter Hotelanschluss (Passerelle) |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | - | - |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär | | ist insbesondere mit dem Ausbau der Hotelbauten u. des stark entwickelnden Fremdenverkehrs in Lugano von tourismusgeschichtlicher Bedeutung; als öffentliches Erschliessungsmittel eher sekundär (Einstellung des Betriebs) |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts | | gute Eingliederung in die Stadtlandschaft; mit der Treppe Gradinata degli Angioli markantes städtebauliches Element; gewagte Konfrontation: Basilika Sant'Angioli - Seilbahnstation |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur | | Hotel; später innerstädtische Erschliessung |
Verkehrsnetze | | bei Talstation: Hauptstrasse, Seepromenade, Quai; Schiffsstege |
Strecke | | |
Betriebszweck | | Touristisch, Öffentliche Erschliessung |
Streckenlänge (schief) | | 145 m |
Höhendifferenz | | 54 m |
Neigung Maximal; Mittelwert | | 475 o/oo; 387 o/oo |
Spurweite | | 1000 mm |
Standseilbahnprinzip | | 1 Wagen 1 Gegengewicht |
Unterbau | | Beton |
Brückentypen | | Stahl-Vollwand |
Anzahl Brücken | | 1 |
Längste Brücke | | 15 m |
Hochbauten | | |
Talstation Name; Konstruktion | | 1913; Via Nassa; Ohne Gebäude |
Bergstation Name; Konstruktion | | 1913; Via Maraini; Massiv (Beton/Mauerwerk) |
Seile | | |
Zugseil Anzahl; Durchmesser | | 2; 22 mm |
Antrieb | | |
Antrieb Ort | | in Bergstation |
Antriebstyp | | Gleichstrom Ward Leonard WL |
Notantrieb für Räumung | | Durch Schwerkraft |
Bremsen | | |
Betriebsbremse | | 1911; Trommelbremse |
Sicherheitsbremse | | 1911; Trommelbremse |
Fangbremsen | | 1911; Zangenbremse auf Schiene |
Mechanische Einrichtungen | | |
Elektrotechnische Einrichtungen | | |
Fahrregime | | Handsteuerung, Gesteuert im Kommandoraum, Fernbedient durch Fahrzeugbegleiter |
Fahrbetriebsmittel | | |
Anzahl | | 1 |
Plätze / Fahrzeug | | 28 |
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht | | 2240 kg; 4000 kg |
Automatische Türen | | nein |
Wagen Länge; Breite; Höhe | | 8000 mm; 1500 mm; 2200 mm |
Wagenaufbau Typ | | Metall |
Fahrgestell Hersteller | | 1911; Stigler |
Fahrgestell Anzahl Achsen | | 2 |
Zugseilbefestigung | | Vergusskopf |
Förderleistung | | |
Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit | | 1.5 m/s; 2 Min. |
Personenleistung | | 300 Personen/h |
Notwendiges Betriebspersonal | | 1 Pers. |
Bundesinventare |
- | ISOS (national) | Lugano, città |
Archive |
- | SWA BS CH Verkehr B 374 / Verkehr B 575 (Funicolare degli Angioli / Trasporti Pubblici Luganesi ) |
- | IKSS Meiringen |
Quellen |
- | Rivista tecnica della Svizera italiana. Organo della Società Ticinese degli Ingenieri ed Architetti, Lugano: 1911, no. 8 |
Literatur |
- | Gaulis, Louis: Schweizer Pioniere der Hotellerie, Paudex : Editions de Fontainemore, 1976 |
- | Lugano, INSA Inventario Svizzero di Architettura 1850-1920, vol. 6, Zurigo: Orell Füssli, 1991, p. 205-355 |
- | Lugano hôtels. Alberghi, storia, architettura, Lugano: Edizioni Città di Lugano, 1998 |
- | Flückiger-Seiler, Roland: Hotelpaläste. Zwischen Traum und Wirklichkeit, Baden: Hier + Jetzt, 2003 |
e-docs |
- | http://www.funimag.com/suisse/angioli01.htm |
- | http://www.hotelarchiv.ch/index.php?page=hotel-bristol-in-lugano-ti&hl=de_DE |
- | http://oieiai.blogspot.com/2008/11/funicolare-degli-angioli.html |
- | http://www.stahlseil.ch/gallery/main.php?g2_itemId=71671 |
- | http://wikimapia.org/4071882/de/Funicolare-degli-Angioli |