Ort, KantonTavetsch, GR
Koord. Talstation701.360/170.360 ; 1364 m.ü.M
Koord. Bergstation701.780/169.205 ; 1920 m.ü.M
EinstufungNational
Besuch19.08.2009 eb
Inventar24.11.2010 zk

BetreiberinKraftwerke Vorderrhein AG
HerstellerHabegger

Baujahr1958
Erstinbetriebsetzung1958
Umbauten1995
Bergstation, Kabine

Situation

Beschreibung der Anlage

Die Kraftwerke Vorderrhein AG KVR/Ovra Electrica Rein Anteriur SA mit Sitz in Disentis/Mustér GR produziert und verteilt elektrische Energie. Hauptaktionärin der KVR sind die Nordostschweizerischen Kraftwerke NOK. Die zwischen 1956 und 1968 erstellten Anlagen der KVR umfassen Speicherseen und Kraftwerkszentralen im Vorderrheintal. Das gesamte Einzugsgebiet beträgt 316 km2; die drei Stauseen Curnera, Nalps und Santa Maria (Lukmanier) fassen zusammen rund 152 Mio. m3. Der Nutzinhalt der drei Seen wird auf zwei Kraftwerksstufen in den Kraftwerkszentralen Sedrun (unterirdisch) und Tavanasa genutzt. Im Kraftwerk KW Sedrun sind drei horizontalachsige Peltonturbinen à 50 MW Leistung installiert. Das abgearbeitete Wasser wird im Ausgleichsbecken Runcahez (1961) zwischengespeichert und im KW Tavanasa, zu dem noch die Wasser der Seitenbäche aus dem Val Nalps, dem Medels und dem Somvix zugeführt werden, weitergenutzt. In Tavanasa sind vier horizontalachsige Peltonturbinen à 45 MW Leistung installiert. Nach der Kraftwerksstufe Tavanasa wird das abgearbeitete Wasser dem Vorderrhein zurückgegeben. In der Schaltanlage von Tavanasa beginnen die 380/220-kV-Leitungen nach Disentis–Sedrun und Bonaduz sowie die Vorableitung. Die KVR ist am Höchstspannungsnetz der Schweiz beteiligt und verwendet mit den NOK baugleiche Fernleitungen.
Die Bauarbeiten begannen 1956 mit der Erstellung von Zufahrtsstrassen. Die Betriebsaufnahme in den Zentralen Sedrun und Tavanasa mit dem Staubecken Nalps erfolgte 1962; Curnera wurde 1966 in Betrieb genommen; der Vollausbau mit dem Staubecken Santa Maria war 1968 beendet. Die Staumauer für das Speicherbecken Nalps wurde von 1957 bis 1960 errichtet. Der Bau dieser Kraftwerksanlage wurde mit Hilfe von Luftseilbahnen erstellt. Die in zwei Sektionen aufgeteilte Anlage ist nach wie vor für den Unterhalt und für den Zugang zum Wasserschloss Tgom sowie zur Staumauer in Betrieb (vgl. GR-TA-2). Seit 2006, seit der Einstellung der von Müller stammenden Einer-Sesselbahn Sedrun-Cungieri von 1956, wird die von den Sedruner Bergbahnen betreute Werkseilbahn von Sedrun auf die Alp Tgom im Sommer auch touristisch genutzt. Die für 40 Personen dimensionierte Kabine darf aufgrund der kantonalen Zulassung lediglich acht Personen befördern.
Die im Pendelbetrieb verkehrende Windenbahn des Thuner Seilbahnherstellers Habegger hat ihren Ausgangspunkt zwischen den Dörfern Rueras und Sedrun, nördlich oberhalb des Vorderrheins auf 1'364 m ü. M.. Die gerade, einspurige Linie erstreckt sich über 1'358 m, überquert grossmehrheitlich bewaldetes Gebiet und führt in südöstlicher Richtung auf den Stavel Sut in Tgom auf 1'920 m ü. M. Die Fahrspur setzt sich aus zwei Tragseilen zusammen und wird mit drei imposanten, in Fachwerkbauweise ausgeführten Stahl-Portalstützen bewältigt. Die beiden Tragseile werden in der Talstation mittels Gewicht abgespannt und sind in der Bergstation an Pollern befestigt. Das Zugseil wird mit Hilfe eines Wickelautomaten in der Bergstation auf eine Windentrommel gewickelt. Es wird auf der letzten Stütze wegen der Bewegung des Wickelautomaten mit Walzen seitlich geführt. Der Antrieb der Winde erfolgt über einen offenen Zahnkranz mit Ritzelantrieb. Das Fahrbetriebsmittel weist ein mit vier Zangenbremsen ausgerüstetes, 16-rolliges Laufwerk auf und hat ein Profilstahlgehänge, an dem eine Winde befestigt ist. Das Gehänge kann sowohl mit einer Kabine als auch mit einer Lastbarelle bestückt werden. Der Zustieg zum Fahrzeug im Tal ist gedeckt, derjenige bei der Bergstation ist als offene, zum Stationsgebäude führende Passerelle ausgebildet. Im grossvolumigen, im mittleren Bereich in der Sockelpartie offenen Stationsgebäude auf der Alp Tgom sind zudem die Talstationskomponenten der zweiten Sektion, der nach Süden zum Cuolm Nalps führenden Pendelbahn von Niederberger, untergebracht. Unter der Ausstiegspasserelle zeugen Schienenfragmente von der abgebauten, zum Wasserschloss führenden Baubahn. Die Seilbahn stammt grossmehrheitlich von 1958. Sie wurde wohl erst nachträglich mit einer Personenkabine (1965) ausgestattet. Steuerung, Fernüberwachungsanlage und Kopierwerk wurden 1995 erneuert.


Gesamtwürdigung

Die mit aufwändigen Stahlfachwerkstützen realisierte Werkbahn der Kraftwerke Vorderrhein, hergestellt vom renommierten Thuner Seilbahnhersteller Habegger, stammt aus der Blütezeit des Kraftwerkbahnbaus. Sie ist wohl die letzte noch in Betrieb stehende Habegger-Seilbahn, die mit Zangenbremsen ausgestattet ist und damit ein hervorragendes Zeugnis schweizerischer Seilbahntechnik. Diese Bremstechnik mit ihren fest mit dem Laufwerk verbundenen Zangenbremsen (Fangbremsen) wurde in den 1970er-Jahren durch ein neu entwickeltes Fangbremssystem, einem dem Laufwerk vorgelagerten Fangbremswagen, abgelöst. Bemerkenswert ist das mit 52 Jahren hohe Betriebsalter der Sedrun–Tgom Bahn, wie auch ihr weitgehend originaler Erhaltungszustand. Seit dem Abbau des Müller-Sessellifts Cungieri 2005/06 wird die Werkbahn zusätzlich rentabilisiert und als Ausflugsbahn auch beschränkt öffentlich genutzt. Sie ist daher sowohl für die Kraftwerksbetreiberin als auch für die Ausflugsdestination Sedrun/Tujetsch von grosser Bedeutung.


Bewertung

Konzeption
Erschliessungsidee (Vision)hochWerkbahn; Bahn zum Wasserschloss Tgom u. zur Winterkontrolle der Staumauer Nalps via zweite Sektion Tgom-Nalps (GR-TA-2)
Linienführung: Planung, Umsetzunghochunterhalb von dem auf einer Terrasse gelegenen Sedrun (Gem. Tavetsch), von der Talebene des Vorderrheins, mehrheitlich über respektive durch bewaldetes Gebiet auf die Alp Tgom; Linienführung betrieblich bestimmt
Seilbahntechnik
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialienherausragendeinspurige Pendebahn mit zwei Tragseilen; schöne Antriebsgruppe mit offenem Zahnkranz auf Windentrommel in Bergstation; Fangbremse: vermutlich letzte noch in Betrieb stehende Zangenbremse von Habegger; aufwändige Stahlfachwerkstützenkonstruktion (Portalstützen)
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Herstellerherausragendeinfache, elementare Anlage; eine der ältesten, in diesem eindrücklichen Umfang überlieferte Habegger-Pendelbahn mit vermutlich letzter noch in Betrieb stehender Laufwerk-Zangenbremse; repräsentative Habegger-Lösung
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten
Ingenieurbau--
Architekturhochzurückhaltende, sachliche u. angemessen dimensionierte Stationsbauten; Talstation: schlank u. hoch, scharf geschnittener Baukörper; Bergstation als Doppelstation grösser, aber die gleiche Formensprache; die grossflächige Verkleidung überzieht den Baukörper wie ein fein gezeichnetes Gewand
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, MaterialiendurchschnittlichMischkonstruktion: Massivbauweise (Beton) Holz- respektive Stahltragwerk; Faserzementplattenverkleidung, Pultdächer
bautypologische BedeutungherausragendHochbauten als wesentliche, aus der Anfangszeit stammende Anlagekomponenten
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponentenherausragendbis auf die häufig anzutreffenden Nachrüstungen (Steuerung, Fernüberwachung u. Kopierwerk) integral überliefert
Qualität der Nachrüstungenherausragendeine einzige, klassische, die Grundkomponenten unwesentlich tangierende Nachrüstungsphase 2005: Steuerung, Fernüberwachung u. Kopierwerk
funktionale Unversehrtheitherausragendin Betrieb; auch touristisch genutzt als Alternative für die 2005 eingestellte Sesselbahn Cungieri
Kulturgeschichte
Personen, Firmen, Institutionensehr hochKraftwerke Vorderrhein KVR (heute Teil der NOK)
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militärherausragendsinnvolle Doppelnutzung: Kraftwerke Vorderrhein KVR; seit der Einstellung der Sesselbahn Cungieri 2005 auch von touristischer Bedeutung: Aussichtspunkt auf 1900 m. ü. M., Wanderwegnetz, Schneeschuhwanderungen (Fahrten auf Voranmeldung, im Sommer betrieben durch die Sedruner Bergbahnen)
Räumliche Situation
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontextshochüber bewaldetes Gebiet mit nur einer geringen Anzahl Stützen
Infrastruktur
touristische/betriebliche InfrastrukturhochMischnutzung: Betriebsbahn u. im Sommer Gastro Betrieb auf Terrasse Tgom; Wanderwege; Fragmente einer Werkeisenbahn
VerkehrsnetzehochOberalp-Surselva-Strasse; Zubringerstrasse ab Sedrun; ÖV: ab Chur Rhätische Bahn RhB oder Matterhorn-Gotthard-Bahn MGB; Zubringer zu GR-TA-2; Bergstrasse durch Seitental zum Lai da Nalps

Anhang 1: Technische Daten

Strecke

Fotos
BetriebszweckTouristisch, Private / Betriebs Erschliessung
Streckenlänge (schief)1358 m
Höhendifferenz556 m
Längstes Seilfeld (schief)990 m
Grösster Bodenabstand140 m
Neigung Maximal; Mittelwert763 o/oo; 450 o/oo
Anzahl StützenFotos3
Stützenbautechnik; StützenformStahl Fachwerk; Portalstütze
Stützen Hersteller1958; Habegger

Hochbauten

Talstation Name; KonstruktionFotos1958; Sedrun; Holzbau, Massiv (Beton/Mauerwerk)
Bergstation Name; KonstruktionFotos1958; Tgom; Holzbau, Massiv (Beton/Mauerwerk), Stahlkonstruktion

Seile

TragseiltypVollverschlossen
Tragseil Anzahl pro Spur; Durchmesser2; 40 mm
Windenseil Durchmesser21 mm
Tragseil Spannseil Anzahl; Durchmesser2; 61 mm

Antrieb

Fotos
Antrieb Ortin Bergstation
Motor HerstellerFotos1958; Schindler
Antriebstyp; MotorleistungGleichstrom Ward Leonard WL; 150 kW
Getriebe HerstellerFotos1958; Kissling
Notantrieb für RäumungDurch Schwerkraft

Bremsen

BetriebsbremseFotos1958; Trommelbremse
Sicherheitsbremse1958; Trommelbremse
FangbremsenFotos1958; Am Laufwerk berg- und talseitig

Mechanische Einrichtungen

Tragseil-SpannsystemFotosGewicht Talstation
Einzeltüren zum Fahrzeug in Stationja

Elektrotechnische Einrichtungen

Steuerung HerstellerFotos1995; Frey AG
KopierwerkFotos1995; Mechanisch
Fernüberwachungsanlage Hersteller1995; Frey AG
FahrregimeHandsteuerung, Gesteuert im Kommandoraum, Fernbedient durch Fahrzeugbegleiter
Kommunikations SystemTelefon, Funk

Fahrbetriebsmittel

Fotos
Anzahl1
Plätze / Fahrzeug12
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht2250 kg; 900 kg
Kabinen Hersteller1965; Habegger
Kabinen Länge; Breite; Höhe2600 mm; 2400 mm; 2200 mm
Automatische Türennein
Gehänge Hersteller; GehängetypFotos1958; Habegger; Profilstahl
Laufwerk HerstellerFotos1958; Habegger
ZugseilbefestigungKlemmkopf

Förderleistung

Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit3 m/s; 9 Min.
Personenleistung24 Personen/h
Notwendiges Betriebspersonal1 Pers.

Anhang 2: Apparat

Archive
-IKSS Meiringen
Quellen
-Kraftwerke Vorderrhein: Prospekt von 1973
-Sedrun Bergbahnen AG: Luftseilbahn Sedrun-Tgom (LSB TGOM). Touristische Nutzung Betriebsbahn der KVR. Beriebskonzept Sommer 2006, Typoskript, Dieni 2006
Literatur
-Bell Maschinenfabrik AG: Die Freistrahlturbinen des Kraftwerks Sedrun, in: Schweizerische Bauzeitung SBZ, vol. 80/2(1962), p. 12-24
-Kraftwerke Vorderhein AG, Version vom 18.10.2010, URL: http://www.axpo.ch/axpo/de/hydroenergie/wissen/partnerkraftwerkevonaxpoaggefuehrt/vorderrhein.html
e-docs
-http://www.jacomet.ch/themen/skilift/album/thumbnails.php?album=30  
-http://www.stahlseil.ch/gallery/main.php?g2_itemId=75607  
-http://www.tgom.ch/seilbahn.php  
-http://www.tgom.ch/geschichte.php  
-http://www.alpinforum.com/forum/viewtopic.php?f=39&t=36562&p=4714055&hilit=Tgom#p4714055  

Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten

Jahre Graphik

Anhang 4: Relationen

HerstellerHabeggerHabegger Maschinenfabrik (Seilbahntechnik)
Ähnliche AnlageBE-GT-3P-004Grimselnollen - Hausenegg, Guttannen
Nächste SektionGR-TA-2P-008Tgom - Nalps, Tavetsch

Anhang 5: Bildauswahl

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