Ort, Kanton | Andeer, GR | Koord. Talstation | 752.040/161.700 ; 1090.5 m.ü.M | Koord. Bergstation | 751.560/161.545 ; 1338.35 m.ü.M |
| Einstufung | National | Besuch | 14.10.2009 eb | Inventar | 24.11.2010 zk |
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| Baujahr | 1959 | Erstinbetriebsetzung | 1959 | Umbauten | 1998 | Wesentliche Erneuerungen gemacht | 2011 |
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Situation
Beschreibung der Anlage
Die Kraftwerke Hinterrhein AG KHR produziert und verteilt elektrische Energie im Kanton Graubünden. Sie umfasst das Hinterrheintal und dessen Seitentäler. Die Zentrale befindet sich im benachbarten Sils im Domleschg. 1942 wurde das Konsortium Kraftwerke Hinterrhein (KKH) konstituiert, mit dem Ziel, Speicherwerke im Hinterrhein zu realisieren. Das Projekt scheiterte an politischem Widerstand. In der Folge wurde die Planung für den noch heute existierenden Kopfspeicher im italienischen Valle di Lei in Erwägung gezogen. Mit einem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Italien im Jahr 1949 wurde die Gründung der Kraftwerke Hinterrhein im Jahr 1956 und der Baubeginn im Jahr 1957 ermöglicht. Das Kraftwerk wurde zwischen 1961 und 1963 schrittweise dem Betrieb übergeben.
Zum Kraftwerksystem der KHR gehören die Stauseen Lago di Lei und der Sufnersee. Diese werden ergänzt durch die Ausgleichsbecken Madris, Ferrera und Bärenburg mit je einer Kraftwerkzentrale in Ferrera und Bärenburg. Die Zentrale Bärenburg befindet sich südlich des Dorfes Andeer und ist als multifunktionales, technisch aufwändiges Bauwerk ausgebildet: Das Maschinenhaus ist in der das Ausgleichsbecken Bärenburg begrenzenden Schwergewichtsmauer, auf deren Krone zugleich die Freiluftschaltanlage eingerichtet ist, integriert. In Bärenburg wird das im Stausee Sufers gespeicherte Wasser von vier Francisturbinen verarbeitet und ins Ausgleichsbecken abgegeben. Das Staubecken hat vor allem Ausgleichsfunktion zwischen der mittleren Kraftwerksstufe Sufers-Bärenburg und der untersten Stufe Bärenburg-Sils. Für Schwerlast- und Personentransporte von der Zentrale zum Wasserschloss ist seit 1959 eine Werkbahn eingerichtet.
Der Ausgangspunkt der von der renommierten Seilbahnfirma Bell stammenden zweispurigen Pendelbahn befindet sich südlich der Stauwerk-Maschinenhaus-Konstruktion, am östlichen Ufer des Ausgleichsbeckens auf 1'090 m ü. M.. Die stützenlose, 559 m lange Strecke führt in westlicher Richtung zunächst über das Ausgleichsbecken, anschliessend über bewaldetes Gebiet und endet auf 1'338 m. ü. M. oberhalb einer Felsfluh beim Zugang zur Rohrmontagekammer respektive zum Wasserschloss. Der Antrieb der Pendelbahn, bei dem die Kraftübertragung vom Getriebe auf den offen Zahnkranz der Antriebsscheibe erfolgt, ist in der Talstation angelegt; Zug- und Tragseile sind mittels Gewicht in der Bergstation abgespannt. Die zwei Fahrzeuge haben achtrollige Laufwerke, die auf einem Tragseil fahren und mit auf tal- beziehungsweise bergseitigen Zugseilbruch differenzierten, mittig angebrachten Fangbremsen ausgestattet sind. An deren offene Stahlblech-Gehänge können entweder eine Personenkabine oder Material gehängt werden.
Während die eigentliche Pendelbahn eine Nutzlast von 3,5 t pro Fahrspur aufweist, können mit einem speziellen Laufwerk, das auf den Tragseilen der beiden Fahrspuren aufliegt, am dazugehörigen Spezialgehänge Lasten bis zu 8 t befördert werden. Diese Einrichtung diente ursprünglich dem Transport der Panzerrohre für den Druckschacht sowie der Regulierorgane und wird noch heute für den Transport von Lasten, die mit der Pendelbahn nicht befördert werden können, benützt: Wenn Schwertransporte ausgeführt werden sollen, bleiben die Fahrzeuge der Pendelbahn in den Stationen und das in der Bergstation unter dem Dach hängende Spezialfahrzeug wird auf die Tragseile aufgesetzt. Die aufgesetzte Schwerlastbahn wird mit einem eigenen, in der Bergstation angeordneten Antrieb mit einer Motorenleistung von 75 kW als Windenbahn betrieben.
Die gesamte Anlage ist durch ihren zweckmässigen Werkcharakter bestimmt und auch die Stationsbauwerke sind pragmatisch gestaltet und teilweise mit Profilblechen eingewandet.
Gesamtwürdigung
Der vor allem im Standseilbahnsegment starke Krienser Seilbahnhersteller Bell konnte für die Kraftwerke Hinterrhein AG zwei identische Werkbahnen liefern: Die eine befindet sich bei der Zentrale Bärenburg, die andere bei der Zentrale Ferrera (vgl. GR-IF-1). Es handelt sich dabei um die beiden einzigen Schwerlast-Pendelbahnen dieses Herstellers in der Schweiz. Die Bahn in Bärenburg ist bis auf die Fernsteuerungsanlage von 1998 integral im ursprünglichen Zustand von 1959 erhalten. Nebst ihres bemerkenswerten Betriebsalters und des beeindruckenden Umfangs an erhaltener Substanz zeichnen sich die beiden Bell'schen Bahnen durch ihre einzigartige Kombination von konventioneller Pendelbahntechnik und aufgesetzter Schwerlasttransporteinrichtung aus. Die beiden Bahnen gehören zu den eindrücklichsten Kraftwerkanlagen der Schweiz und sind für diese von grosser betrieblicher Relevanz.
Bewertung
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Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) | | Kraftwerksbahn zu Rohrmontagekammer |
Linienführung: Planung, Umsetzung | | betrieblich gegeben; vom Ausgleichsbecken Bärenburg südlich der Zentrale/Staumauer ausgehend; kurze stützenlose Strecke durch alpines, bewaldetes Gebiet zu Bergstation auf Felshangkante; Talstation am östlichen Ufer des Ausgleichsbeckens (Linie über das Ausgleichsbecken hinweg) |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | für den gelegentlichen Transport von Schwerlasten (bis 8 t) wird auf der konventionellen zweispurigen Pendelbahn (3.5 t/Seite) ein breites Laufwerk über beide Tragseile aufgesetzt u. mit einer separaten Winde betrieben; auf tal- respektive bergseitigen Zugseilbruch differenzierte Fangbremse; zwei Arten von Fahrzeugen: Personenkabine u. Schwerlasteinrichtung; in Talstation platzierter Antrieb mit offenem Zahnkranz auf Antriebsscheibe |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller | | sehr seltene Pendelbahn (nach aktuellem Wissensstand nur noch zwei Exemplare) des vorwiegend im Standseilbahnbau starken Seilbahnherstellers Bell; eine Zwillingsanlage (gleiches Alter, gleicher Hersteller, gleicher Typ, längere Strecke mit Stützen: GR-IF-1) befindet sich weiter südlich, bei der Zentrale Ferrera (Innerferrera) |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | | bauen im alpinen Kontext, insbesondere relevant bei Bergstation (Fundationen) |
Architektur | | zweckmässige Scherm- u. Schutzbauwerke in Stahlbauweise |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | Stahlkonstruktion mit Blecheinwandung; Steildach |
bautypologische Bedeutung | | buchstäblich fixe u. aus der Bauzeit stammende Komponenten der Seilbahnanlage |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten | | bis auf Steuerung u. Fernüberwachung von 1998 integral erhalten |
Qualität der Nachrüstungen | | Nachrüstung 1998 Steuerung u. Fernüberwachung |
funktionale Unversehrtheit | | für Betriebszwecke in Funktion |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | | Kraftwerke Hinterrhein AG KHR (1956 gegründet); dreistufige Kraftwerksgruppe; Gesamtwerk von Bell: auch Kraftwerkskomponenten |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär | | KHR als wichtiger Akteur der schweizerischen Stromproduzenten; technikgeschichtlich hoch interessanter Gesamtkomplex, in dem die vielfältigen Aufzugsanlagen gepflegt werden; einschliesslich Kraftwerkskontext wichtiges technikgeschichtliches Zeugnis des sowohl im Kraftwerks- als auch im Seilbahnbau wichtigen Akteurs Bell |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts | | der Eingriff in die unberührte Berglandschaft ist auf das Minimum beschränkt (stützenlos) |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur | | Teil des Gesamtkomplexes Kraftwerke Hinterrhein AG (KHR) |
Verkehrsnetze | | Zufahrt via Passstrasse Thusis-Nufenen |
Anhang 1: Technische Daten
Strecke | | |
Betriebszweck | | Private / Betriebs Erschliessung |
Streckenlänge (schief) | | 559.33 m |
Höhendifferenz | | 257.85 m |
Längstes Seilfeld (schief) | | 537.11 m |
Grösster Bodenabstand | | 80 m |
Neigung Maximal; Mittelwert | | 641.7 o/oo; 519.5 o/oo |
Spurweite (auf Stützen) | | 4500 mm |
Anzahl Stützen | | 0 |
Hochbauten | | |
Talstation Name; Konstruktion | | 1959; Zentrale Bärenburg; Stahlkonstruktion |
Bergstation Name; Konstruktion | | 1959; Rohrmontagekammer Bärenburg; Massiv (Beton/Mauerwerk), Stahlkonstruktion |
Seile | | |
Tragseiltyp | | Vollverschlossen |
Tragseil Anzahl pro Spur; Durchmesser | | 1; 37 mm |
Zugseil Anzahl; Durchmesser | | 1; 21 mm |
Gegenseil Anzahl; Durchmesser | | 1; 21 mm |
Tragseil Spannseil Anzahl; Durchmesser | | 2; 60 mm |
Antrieb | | |
Antrieb Ort | | in Talstation |
Motor Hersteller | | 1959; BBC |
Antriebstyp; Motorleistung | | Drehstrom-Schleiffring-Läufermotor; 130 kW |
Getriebe Hersteller | | 1959; Bell |
Notantrieb für Räumung | | Verbrennungsmotor |
Bremsen | | |
Betriebsbremse | | 1959; Trommelbremse |
Sicherheitsbremse | | 1959; Trommelbremse |
Fangbremsen | | 1959; Am Laufwerk mitte |
Mechanische Einrichtungen | | |
Tragseil-Spannsystem | | Gewicht Bergstation |
Zugseil-Spannsystem | | Gewicht Bergstation |
Elektrotechnische Einrichtungen | | |
Steuerung Hersteller | | 1959; Bell |
Kopierwerk | | 1959; Mechanisch |
Fernüberwachungsanlage Hersteller | | 1998; Sisag |
Fahrregime | | Handsteuerung |
Kommunikations System | | Telefon |
Fahrbetriebsmittel | | |
Anzahl | | 2 |
Plätze / Fahrzeug | | 4 |
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht | | 400 kg; 300 kg |
Kabinen Hersteller | | Bell |
Kabinen Länge; Breite; Höhe | | 1500 mm; 1050 mm; 1750 mm |
Automatische Türen | | nein |
Gehänge Hersteller; Gehängetyp | | 1959; Bell; Profilstahl |
Laufwerk Hersteller | | 1959; Bell |
Zugseilbefestigung | | Vergusskopf |
Förderleistung | | |
Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit | | 3.5 m/s; 4 Min. |
Personenleistung; Jahresbeförderung Total | | 110 Personen/h; 80 Pers./Jahr |
Jahresbeförderung Güter | | 5 Tonnen/Jahr |
Notwendiges Betriebspersonal | | 1 Pers. |
Anhang 2: Apparat
Archive |
- | IKSS Meiringen |
Literatur |
- | Kalt, L.: Die Kraftwerkgruppe valle di Lei, Hinterrhein, in: Schweizerische Bauzeitung SBZ, vol. 75 (1957), p. 79-84 |
- | Kraftwerke Hinterrhein AG KHR: Die Kraftwerkanlagen Hinterrhein. Valle di Lei, Zürich: 1963 |
- | Kraftwerke Hinterrhein AG KHR: KHR. Officine idroelettriche del Reno posteriore S.A., Thusis 2008 |
- | Kraftwerke Hinterrhein AG KHR: Geschichte, Version vom 18.10.2010, URL: http://www.khr.ch/portrait/geschichte/ |
e-docs |
- | http://www.khr.ch/ |
Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten
Anhang 4: Relationen
Anhang 5: Bildauswahl