Ort, Kanton | Samnaun, GR | Koord. Talstation | 823.495/204.205 ; 1791 m.ü.M | Koord. Bergstation | 822.850/206.300 ; 2510 m.ü.M |
| Einstufung | Regional | Besuch | 18.08.2009 eb | Inventar | 24.11.2010 zk |
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Betreiberin | Luftseilbahnen Samnaun AG | Hersteller | Garaventa |
| Baujahr | 1978 | Erstinbetriebsetzung | 1978 | Umbauten | |
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Situation
Beschreibung der Anlage
Samnaun, ein Seitental des Unterengadins, befindet sich im nordöstlichsten, an Österreich grenzenden Zipfel des Kantons Graubünden. Das abgeschlossene Tal wurde einst von Tschlin und Ramosch aus alpwirtschaftlich genutzt und war bis in die Neuzeit kirchlich und politisch abhängig von Ramosch. Das vergleichsweise milde Klima und die Abgeschiedenheit führten zu einer weitgehenden wirtschaftlichen Unabhängigkeit; einen ersten Fahrweg ins Inn-Tal über das österreichische Spiss erhielt das Samnaun erst 1830. 1912 folgte eine Strasse auf Schweizer Seite nach Vinadi GR. Aufgrund der räumlichen Isolation wurde das Samnaun 1892 vom schweizerischen Zollgebiet ausgeschlossen. Diesen Sonderstatus konnte Samnaun trotz der neuen Strassenverbindung mit dem Unterengadin beibehalten. Der direkte Zugang vom Unterengadin her erwies sich in der Folge einerseits als Verdienst- und Absatzmöglichkeit und war andererseits Voraussetzung für die Ausbildung des Sektors Fremdenverkehr.
Die ersten Hotels wurden in der Zwischenkriegszeit erstellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm mit der Gründung des Kur- und Verkehrsvereins 1951 der Tourismus einen neuen Anfang. Ein erster Skilift wurde 1954 erstellt. Die nachhaltige touristische Entwicklung von Samnaun setzte nach diesen verhaltenen Anfängen jedoch erst in den späten 1970er-Jahren mit der Erschliessung der Alp Trida und der Koordination mit dem österreichischen Fremdenverkehrsort Ischgl in der Talschaft Paznaun ein. Grundstein für diesen Aufschwung bildete die Personen-Luftseilbahn von 1978. Für die Finanzierung der Anlage wurden Einnahmen der 1973 eingeführten Sondergewerbesteuer (auf Zigaretten, Benzin etc.) eingesetzt.
Der Standort der Erschliessungsbahn wurde aufgrund der Lawinen gefährdeten Situation des Dorfes Samnaun in der talabwärts gelegenen Fraktion Ravaisch festgelegt. Dadurch ergaben sich auch Vorteile in Bezug auf die Parkierung und für die Linienführung. Die Talstation wurde, einerseits um Höhe zu gewinnen, andererseits um eine Einfahrstütze zu sparen, am Gegenhang auf 1'791 m ü. M. auf der rechten Talseite angeordnet. Die 2'297 m lange Strecke führt in nördlicher Richtung zum Alptrider Sattel auf 2'510 m ü. M. hinauf. Auf dem Zwischengipfel Chè d'Mot auf 2'058 m ü. M. sind zwei nah beieinander stehende Stahl-Fachwerkstützen platziert, eine dritte befindet sich nach der Überwindung des steilen, zum Teil felsigen Bereichs Fulguetta unterhalb der Bergstation.
Die Antriebsgruppe der von Garaventa erstellten zweispurigen Pendelbahn ist in der Talstation angeordnet. Die Abspannung der Tragseile erfolgt mittels Gewicht in der Bergstation und ist mit einer Rollenkette versehen; am Berg befindet sich auch die Spannvorrichtung des Zugsseils. Bei den beiden, sich auf zwei Tragseilen bewegenden Fahrzeugen mit Grossraumkabinen für 80 Personen setzte Garaventa erstmals eine neu entwickelte Gehängeform ein, die eine weniger starre Konstruktion zum Ziel hatte und bei Zugseilriss das Abheben des Laufwerks verhindern sollte. Deswegen sind die geraden Kastengehänge im unteren Bereich mit einer Pendeldämpfung ausgerüstet und die Kabinen sind mit Stahlseilen befestigt. Die von Garaventa bei der Alptrider-Bahn verwendeten Laufwerke sind berg- und talseitig mit Fangbremsen versehen. Bei Notfällen kann eine Bergungsbahn mit offenem Fahrkorb installiert werden.
Die Stationskomponenten sowie die Zu- respektive Aussteigeeinrichtungen sind in Stationsgebäuden, in Beton- und Stahlbauweise ausgeführte Pultdachbauten, untergebracht. Ihnen sind seitlich beziehungsweise bergseitig teilweise jüngere Trakte angefügt. Sie präsentieren sich als zweckmässige, unspektakuläre Bauwerke und als Teil einer ausgedehnten technisch-touristischen Infrastruktur.
1995 wurde als Ergänzung des Samnauner Zubringersystems in die Silvretta Arena Samnaun/Ischgl die "Twinliner"-Anlage, die erste und einzige Doppelstockbahn der Schweiz (71.098), gebaut. Daher wird die Ursprungsbahn von 1978 heute als Entlastungsbahn eingesetzt.
Gesamtwürdigung
Die 1978 von Garaventa erstellte, von Ravaisch zum Alptrider Sattel führende zweispurige Pendelbahn ist bis auf die 2007 ersetzten Steuerungs- und Fernüberwachungskomponenten vollumfänglich aus dem Erstellungsjahr überliefert. Bei dieser Anlage wurde von Garaventa erstmals eine neu entwickelte, mit einer Pendeldämpfung versehene Gehängeform eingesetzt. Aus dieser Hinsicht repräsentiert die Bergbahn Alptrider Sattel I einen interessanten Aspekt der seilbahntechnischen Entwicklung. Als technische Infrastruktur kann der Alptrider-Bahn von Samnaun zudem eine entscheidende wirtschaftliche und touristische Bedeutung beigemessen werden, da sie den Grundstein für den Ausbau des grossräumigen und grenzüberschreitenden Skizentrums Silvretta Arena legte.
Bewertung
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Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) | | Grundidee aus den 1960er-Jahren; erste Erschliessungsbahn im Skigebiet Samnaun (Alp Trida); Zusammenschluss mit Skigebiet Ischgl in Österreich (Talschaft Paznaun); Basisinfrastruktur |
Linienführung: Planung, Umsetzung | | Talstation vor dem lawinengefährdeten Dorf; dadurch Vorteile in Bezug auf Parkierung u. Optimierung der Linienführung (weniger Stützen); Station am Gegenhang (Einsparung Ausfahrstütze, Gewinn von Höhe); Doppelstütze auf Zwischengipfel Chè d'Mot |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | zweispurige Personenluftseilbahn im Pendelbetrieb mit Grossraumkabinen; Neuentwicklung Gehängeform: geschlossener Kasten, im unteren Bereich mit Pendeldämpfung (weniger starr, Kabine mittels Seilen an Gehänge befestigt, um Abheben des Laufwerks bei Zugseilriss zu verhindern); Antrieb in Talstation; bei den mittels Gewicht in der Talstation abgespannten Tragseilen Rollenketten; Gewichtsabspannung für Zugseile in Bergstation; markante, konische Fachwerkstützen |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller | | die Gehänge-Lösung von Garaventa stellt einen wichtigen Entwicklungsschritt der Gehängetechnik dar |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | - | - |
Architektur | | im Vergleich zu den Stationsbauten der Parallelbahn (71.098) bescheidene Volumina; sachliche u. unspektakulkäre Zweckarchitektur |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | Mischkonstruktion mit Schrägdach: Stahlkonstruktion mit Blechverkleidung, Kern aus Beton; bei Talstation jüngere Aufbauten (massiv, verputzt); Bergstation-Aufnahmegebäude Solitär (Restaurant selbständig) |
bautypologische Bedeutung | | Hochbauten als wesentliche, aus der Erstellungszeit stammende Anlagekomponenten |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten | | bis auf Steuerung vollumfänglich erhalten |
Qualität der Nachrüstungen | | auf Bestand abgestimmt |
funktionale Unversehrtheit | | als Entlastungsbahn in Betrieb |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | | Grundidee von Ing. Werner Schuler, Rorschach; Projekt in Ortsplanung integriert (Gemeinde, Kanton) |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär | | Entwicklungspotenzial Tourismus in Kooperation mit Ischgl, da Abbau der Vorzüge der Zollfreiheit u. beschränkte Möglichkeit der Ortserweiterung von Samnaun aufgrund der Lawinengefährdung; Finanzierung der Anlage über einen Teil der 1973 eingeführten Sondergewerbesteuer auf Zigaretten, Benzin, ... |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts | | zweckmässig; Platzierung der Anlageteile aufgrund der technischen u. ökonomischen Anforderungen; massentouristisches Schwerpunktsgebiet |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur | | Restaurant Alp Trida, Aufzugsanlagen |
Verkehrsnetze | | Ausbau der Zufahrtsstrasse; jedoch nach wie vor umständlich, da am äussersten Zipfel der Schweiz sehr dezentral gelegen; die besser ausgebaute Zufahrtsstrasse führt auf österreichischem Boden dem Schergenbach entlang |
Anhang 1: Technische Daten
Anhang 2: Apparat
Archive |
- | SWA BS Verkehr B 713 (Seilbahnen Ravaisch – Apltrider Sattel I und II Bergbahnen Samnaun AG) |
Literatur |
- | Festschrift. 25 Jahre Bergbahnen Samnaun - eine Erfolgsgeschichte, Samnaun 2002 |
- | Die Geschichte Samnauns, Version vom 20.11.2010, URL: http://www.gemeindesamnaun.ch/website/gp/gp04.asp |
- | Samnaun und seine Beziehungen zum Engadin, Version vom 20.11.2010, URL: http://www.gemeindesamnaun.ch/website/gp/gp04.asp |
- | Das Zollausschlussgebiet Samnaun, Version vom 20.11.2010, URL: http://www.gemeindesamnaun.ch/website/gp/gp04.asp |
e-docs |
- | http://www.seilbahntechnik.net/de/lifts/1133/datas.htm |
Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten
Anhang 4: Relationen
Hersteller | Garaventa | | Garaventa | | |
Ähnliche Anlage | 71.072 | P-040 | Jakobsbad - Kronberg, Gonten | | |
Paralelle Anlage | 71.098 | P-180 | Ravaisch - Alptrider Sattel II, Samnaun | | |
Anhang 5: Bildauswahl