71.109 Mulania - Crap Sogn Gion, Laax, Pendelbahn


71.109Mulania - Crap Sogn Gion
Pendelbahn

Ort, KantonLaax, GR
Koord. Talstation739.220/187.070 ; 1099 m.ü.M
Koord. Bergstation735.570/188.645 ; 2229 m.ü.M
EinstufungNational
Besuch19.08.2009 eb
Inventar23.11.2010 zk

BetreiberinWeisse Arena Bergbahnen AG
HerstellerHabegger
wwwhttp://www.weissearena.ch

Baujahr1968
Erstinbetriebsetzung1968
Umbauten1984; 1994
Wesentliche Erneuerungen gemacht2015

Situation

Beschreibung der Anlage

Der hochtouristische, sich über die Gemeinden Flims, Laax und Falera erstreckende Bündner Skipistenverbund "Weisse Arena" hat seine Ursprünge in den 1910er-Jahren. Der systematische Ausbau einer modernen Erschliessungsinfrastruktur setzte unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs, mit der Errichtung der weltersten Einseilumlaufbahn mit kuppelbaren Zweiersesseln von Von Roll auf die Foppa, ein. In einem ersten Schritt wurde das Alpgebiet westlich des Flimsersteins erschlossen. In den frühen 1960er-Jahren konzentrierte sich der Ausbau auf das Gebiet Nagens, Siala und Piz Grisch. Um die Erschliessung oberhalb der Ortschaften Flims und Laax ergänzen und um deren Skigebiete zu einer einzigen Arena vereinigen zu können, erwuchs ein Projekt für die Erschliessung der Geländekammern um den Crap Sogn Gion.
Der Crap Sogn Gion, ein zum Teil recht felsiger Grat zwischen Schleuiser Tobel und dem oberen Abschnitt des Laaxer Tobels befindet sich südöstlich des Bündner Vorab (3'028 m ü. M.) und stellt einen idealen Skihang dar. Die Gesellschaft Skilifte und Bergbahnen Crap Sogn Gion wurde 1962 gegründet und installierte noch im gleichen Jahr vier Skiliftsektionen des französischen Herstellers POMA auf den Crap Sogn Gion. Der Planung lag ein gewaltiges Konzept zugrunde und die Vision beinhaltete die Ausschöpfung des Potenzials sowie die Bereitstellung eines Zugangs für Sommergäste; den Höhepunkt sollte die Erschliessung des Bündner Vorab bilden. Die Planung und Ausführung der Crap Sogn Gion-Bahn wurden dem Konsortialunternehmen Bell, Kriens und Habegger, Thun übertragen; realisiert wurde die Luftseilbahn 1968.
Die Wahl, eine zweispurige Pendelbahn mit Grossraumkabinen zu errichten, ergab sich zum einen aus den jüngsten Entwicklungen im Segment der Schwerlastbahnen, die mit Nutzlasten von über 20 t erfolgreich und dauerhaft eingesetzt werden konnten (vgl. 71.124 Schwerlastbahn Robiei) und zum anderen aus wirtschaftlichen Überlegungen (kurze Fahrzeit, geringer Personal- und Unterhaltsaufwand). Den Ausgangspunkt hat die Seilbahn im Weiler Murschetg, zwischen Flims-Waldhaus und Laax auf 1'099 m ü. M.. Das Trassee verläuft in nordwestlicher Richtung und weist eine eindrückliche, mit nur fünf hohen und ausgeprägt konischen Stahl-Fachwerkstützen bewältigte Länge von 4'156 m auf und ist somit noch heute schweizweit die längste Grossraumkabinen-Pendelbahn mit nur einer Sektion. Die Bahnlinie steigt regelmässig an, überfährt teilweise bewaldetes Gebiet und endet auf der kargen Kuppe Crap Sogn Gion auf 2'229 m ü. M.. Die Bahn wird von einer in der Talstation angelegten Antriebsgruppe bewegt, die sich aus zwei Motoren à 560 kW respektive zwei unabhängigen Getrieben zusammen setzt und bei niedriger Besucherfrequenz oder in Notfällen einen reduzierten Betrieb mit nur einem Motor ermöglicht. In der Talstation befindet sich auch die mit für den Zeitpunkt der Errichtung modernen Rollenketten ausgestattete Abspannung der Tragseile; die Zugseilspannvorrichtung ist hingegen in der Bergstation angeordnet. Die beiden Fahrzeuge, an denen für 125 Personen zugelassene Kabinen der Firma CWA, Olten befestigt sind, fahren auf zwei Tragseilen mit Habegger-Laufwerken, die bergseitig mit einem Von Roll'schen Bremswagen ausgerüstet sind. Die vergleichsweise kurzen Gehänge sind offene, elegant geschwungene, genietete Blech-Konstruktionen. Im Gegensatz zu den bereits 1973 ausgewechselten Laufwerken und Kabinen, stammen die Gehänge von 1968.
Die Stationskomponenten sowie die Zu- bzw. Aussteigeeinrichtungen sind in Stationsgebäuden untergebracht, die vom Flimser Architekten Rud. Hitz geplant und als Kopfbauten ausgedehnter Anlagen ausgebildet wurden. Ihre Baukörperform leitet sich wesentlich von der Funktion ab und ist einer zeittypisch kargen und sachlichen, mit braunen Zementfaserplatten verkleideten Betonarchitektur verpflichtet. Der Bergstation ist ein imposantes, hochalpines Freizeitzentrum angeschlossen, das einen Restaurations- und Hotelbetrieb umfasst und mit komplexen Ent- und Versorgungsinfrastrukturen ausgestattet ist. Das Bergrestaurant wurde aufgrund des grossen Zeitdrucks mit vorfabrizierten Elementen erstellt und als markanter Panorama-Rundbau mit niedrigerem Hoteltrakt ausgebildet. Für die Konstruktion des Panorama-Baus kamen wiederverwendete Stahl-Elemente des Télé-Canapée der Expo 64 zum Einsatz. Im Nordwesten des Baukomplexes dockt die Bergstation der auf den Crap Masegn weiter führenden Pendelbahn an (71.110).
Die Betriebs- und Sicherheitsbremsen sowie die Steuerung und die Fernüberwachungsanlage wurden 1984 ersetzt; zehn Jahre darauf folgte der Ersatz der Motoren und des Kopierwerks.


Gesamtwürdigung

Der Bau der Crap-Sogn-Gion-Bahn stellte einen Meilenstein in der Entwicklung der Tourismusdestination Flims-Laax-Falera dar. Die ehemals längste öffentliche Einsektionen-Personenpendelbahn der Schweiz war und ist ein Werk der Superlative. Ihr technik- und tourismusgeschichtlicher Wert liegt in der bezüglich Seilbahntechnik und Wirtschaftlichkeit höchst intelligenten Konzeption. Trotz nachträglicher Modifikationen und Nachrüstungen stellt die Bahn nach wie vor ein herausragendes seilbahntechnisches Zeugnis dar, das über einen bemerkenswerten Originalbestand verfügt. Die Projektierung und Ausführung der Bahn ist als Konkurrenz zum Prestige-Projekt Schilthornbahn von Von Roll (71.076-078, 1965-1967) zu sehen und widerspiegelt wie diese und die Pischabahn in Davos (71.096) den Boom der Bahnen für den Fremdenverkehr dieser Zeit.


Bewertung

Konzeption
Erschliessungsidee (Vision)sehr hochidealer Skihang, seit 1962 nur von Skiliften erschlossen: Grundinstallation zum Aufbau des Skigebiets "Weisse Arena"; Etappe des Gesamtkonzepts: Erschliessung des Bündner Vorab (3028 m ü. M.); Konkurrenzprojekt zum Schilthorn im Berner Oberland
Linienführung: Planung, Umsetzungsehr hochregelmässige Steigung; für die Erstellungszeit aussergewöhnliche Länge; ökonomische Lösung mit wenigen, d.h. fünf Stützen
Seilbahntechnik
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialienherausragendfür die Erstellungszeit schweizweite Rekordkabinengrösse u. -bahnlänge 4156 m/Sektion): Jumbobahn; Doppelantrieb in Talstation mit zwei unabhängigen Getrieben; Abspannung Tragseil in Talstation über Rollenkette auf Spanngewicht, statt Spannseil (kürzere Anordnung, wird heute seltener ausgeführt); klassisches Habegger-Profilstahlgehänge; hohe aus dem Wald herausragende, konisch ausgebildete Fachwerkstützen
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, HerstellerherausragendAnlage der Boomjahre, aus einer Zeit, in der sich die Betreibergesellschaften im Grosskabinensegment übertrumpfen wollten: war eine typische Aufgabe für die Fa. Habegger aus Thun, die vier Jahre zuvor mit der Schwerlastkraftwerksbahn in San Carlo TI (71.124) die bis zu diesem Zeitpunkt grösste u. stärkste Luftseilbahn der Welt projektiert u. realisiert hatte; in Rekordzeit von nur neun Monaten geplant, produziert u. montiert
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten
Ingenieurbauhocherhöhte Anforderungen bei Talstation, da Grundwasser; statisch u. in materieller Hinsicht schlanke u. ökonomische Stützenlösung; Dimensionierung analog Schwergewichtsbahn
Architekturhochzeittypische sachliche Betonarchitektur; Baukörperform im Wesentlichen von der Funktion her bestimmt (Bautypologie); auffallend die angegliederten Restaurations- u. Hotelbauten; Akzent zweistöckiger Rundbau in Stahl-Glaskonstruktion über schlankem, zylindrischem Betonsockel
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialiensehr hochumfangreiches Raumprogramm: Bergstation mit Restaurations- u. Hotelbetrieb: Anlage mit eingebauter Klär- u. Kehrichtverbrennungsanlage u. Wasserreservoir; Architektur im hochalpinen Bereich; Beton, Stahl-Glas
bautypologische Bedeutungsehr hochinsbesondere Bergstation Crap Sogn Gion zu hochalpinem Zentrum erweitert; Ausdruck der optimistischen Haltung der 1960er-Jahre vor Einbruch der Ölkrise: anything goes
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponentenhochansehnlicher Anteil an charakteristischen, sichtbaren Komponenten aus der Erstellungszeit (Linienführung, Stützen, Stationsbauten, Getriebe, Fahrzeuggehänge)
Qualität der Nachrüstungensehr hochfrühe Ersatzarbeiten von der gleichen Firma ausgeführt u. abgestimmt auf die Gesamtplanung: Fahrbetriebsmittel bereits nach fünf Jahren in Zusammenhang Erstellung Sektion Crap Sogn Gion-Masegn (71.110) unter Beibehaltung des Gehänges ersetzt (die Fahrzeuge von 1968 wurden bei der nachfolgenden Sektion eingesetzt); Bremswerk erneuert; Motor erneuert (Leistungssteigerung)
funktionale Unversehrtheitherausragendals Basisanlage des Skigebiets "Weisse Arena" u. als erste Sektion der Vorab-Erschliessung voll in Betrieb
Kulturgeschichte
Personen, Firmen, Institutionen--
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, MilitärherausragendMeilenstein für den Fremdenverkehrsort Laax
Räumliche Situation
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontextsdurchschnittlichkeine Auseinandersetzung mit dem Landschaftskontext; Platzierung der Anlageteile aufgrund der technischen u. ökonomischen Anforderungen; rund um Anlageteile nachträgliche Verdichtung; Zentrumsfunktion; massentouristisches Schwerpunktsgebiet
Infrastruktur
touristische/betriebliche InfrastrukturherausragendGipfelüberbauung Crap Sogn Gion: angedockt an die effektiven Stationsbauten Panoramarestaurant, Hotellerie; Versorgungs- u. Entsorgungseinrichtungen in house (Wasserreservoir, Kehrichtverbrennungsanlage, Kläranlage); später folgten Hallenschwimmbad u. Kegelbahn (vgl. 71.110); dritte Sektion Masegn-Vorab 1978 in Betrieb gesetzt (72.095)
Verkehrsnetzesehr hochTalstation unmittelbar bei Zubringerstrasse; Postautoverkehr

Anhang 1: Technische Daten

Strecke

BetriebszweckTouristisch
Streckenlänge (schief)4156 m
Höhendifferenz1130 m
Längstes Seilfeld (schief)1229 m
Grösster Bodenabstand70 m
Neigung Maximal; Mittelwert600 o/oo; 284 o/oo
Spurweite (auf Stützen)8800 mm
Anzahl Stützen5
Stützenbautechnik; StützenformStahl Fachwerk; T-Stütze
Stützen Hersteller1968; Habegger

Hochbauten

Talstation Name; Konstruktion1968; Mulania; Massiv (Beton/Mauerwerk)
ArchitektRud. Hitz, Flims
Bergstation Name; Konstruktion1968; Crap Sogn Gion; Massiv (Beton/Mauerwerk)
ArchitektRud. Hitz, Flims

Seile

TragseiltypVollverschlossen
Tragseil Anzahl pro Spur; Durchmesser2; 50.7 mm
Zugseil Anzahl; Durchmesser2; 37 mm
Gegenseil Anzahl; Durchmesser1; 37 mm

Antrieb

Antrieb Ortin Talstation
Motor Hersteller1994; ABB
Antriebstyp; MotorleistungGleichstrom mit Thyristor; 2x560 kW
Getriebe Hersteller1968; Wülfel
Notantrieb für RäumungHydraulisch mit Verbrennungsmotor

Bremsen

Betriebsbremse1984; Scheibenbremsen
Sicherheitsbremse1984; Scheibenbremsen
Fangbremsen1973; Bremswagen

Mechanische Einrichtungen

Tragseil-SpannsystemGewicht Talstation
Rollenkette für Tragseilja
Zugseil-SpannsystemGewicht Bergstation
Einzeltüren zum Fahrzeug in Stationja

Elektrotechnische Einrichtungen

Steuerung Hersteller1984; ABB
Kopierwerk1994; Mechanisch
Fernüberwachungsanlage Hersteller1984/1994; Kündig / Gfeller / Sisag
FahrregimeHandsteuerung, Gesteuert im Kommandoraum, Fernbedient durch Fahrzeugbegleiter
Kommunikations SystemTelefon, Funk

Fahrbetriebsmittel

Anzahl2
Plätze / Fahrzeug125
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht10000 kg; 6860 kg
Kabinen Hersteller1973; CWA
Kabinen Länge; Breite; Höhe7000 mm; 3900 mm; 2930 mm
Automatische Türennein
Gehänge Hersteller; Gehängetyp1968; Habegger; Stahlblech genietet
Laufwerk Hersteller1973; Habegger
ZugseilbefestigungTrommelverankerung

Förderleistung

Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit10 m/s; 9 Min.
Personenleistung; Jahresbeförderung Total750 Personen/h; 418000 Pers./Jahr
Notwendiges Betriebspersonal3 Pers.

Anhang 2: Apparat

Archive
-SWA BS Verkehr B 657 und B 745 (Mulania – Crap Sogn Gion)
Literatur
-Baumberger, Heinz: 1945-1995: 50 Jahre Bergbahnen Flims, Flims: Bergbahnen Flims AG, 1995
e-docs
-http://www.bahn-bus-ch.de/bahnen/bfl/foto-j.html
-http://www.lift-world.info/de/lifts/467/datas.htm
-http://www.laax.ch
-http://www.bergbahnen.org/forum/viewtopic.php?f=10&t=1313
-http://www.alpinforum.com/forum/viewtopic.php?f=59&t=36279&start=25

Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten

Jahre Graphik

Anhang 4: Relationen

HerstellerHabeggerHabegger Maschinenfabrik (Seilbahntechnik)
Nächste Sektion71.110P-125Crap Sogn Gion - Crap Masegn, Laax
Anlage in der Nähe72.095UK-06Crap Masegn-F.Sura-Vorabgletscher, Laax

Anhang 5: Bildauswahl

Talstation Talstation Bergstation
Bergstation Bergstation Stütze, Kabine
Kabine Kabine Kabine Bedienungskonsole
Laufwerk Fangbremsen Maschinenraum
Seilführung Bergstation Puffer Talstation, Rollenkette Zugseil-Spanngewichtsdämpfung



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