71.076 Stechelberg - Gimmelwald - Mürren, Mürren, Pendelbahn


71.076Stechelberg - Gimmelwald - Mürren
Pendelbahn

Ort, KantonMürren, BE
Koord. Talstation635.513/156.082 ; 867 m.ü.M
Koord. Zwischenst.634.893/155.191 ; 1367 m.ü.M
Koord. Bergstation634.715/156.358 ; 1638 m.ü.M
EinstufungNational
Besuch10.09.2009 tb
Inventar23.11.2010 zk

BetreiberinSchilthornbahn
HerstellerVon Roll
wwwhttp://www.schilthorn.ch

Baujahr1965
Erstinbetriebsetzung1965
Umbauten1986; 1995; 2007

Situation

Beschreibung der Anlage

Die auf dem Gebiet der politischen Gemeinde Lauterbrunnen angelegte Schilthornbahn wurde aufgrund von verkehrstechnischen Bedürfnissen (Erschliessung des Dorfes Gimmelwald), aber auch zur Entwicklung des Fremdenverkehrs (Kurort Mürren) sowie zur Erschliessung eines der schönsten Aussichtsgipfels des Berner Oberlands errichtet. Die Bahn verbindet das Dorf Gimmelwald auf 1'286 m ü. M. einerseits mit der Ortschaft Stechelberg zu hinterst im Lauterbrunnental auf 867 m ü. M., und andererseits mit dem Kurort Mürren auf 1'638 m ü. M.. Diesem ersten Abschnitt schliessen zwei weitere Sektionen an, nämlich Mürren-Birg (71.077) und Birg-Schilthorn (71.078). Die Gesamtanlage setzt sich aus drei verschiedenen Bahnsystemen zusammen.
Die Talstation ist mit Rücksicht auf die Lawinenverhältnisse und hinsichtlich Autoparkierung im freien Gelände Lengwald, rund zwei Kilometer südlich der berühmten Trümmelbachfälle und nördlich des Weilerzentrums Stechelberg angelegt. Die Station Gimmelwald an der nordöstlichen Peripherie des Weilers ist als Umsteigestation ausgebildet; die Station Mürren befindet sich am südwestlichen Rand des Dorfes, ausserhalb des Dorfkerns.
Die beiden Fahrzeuge werden mit dem gleichen, in der Station Mürren untergebrachten Antrieb bewegt. In der Zwischenstation Gimmelwald werden die durchgehenden Zug- und Gegenseile mittels einer spitzwinkligen Disposition umgelenkt: Diese Grundanordnung ist in der Schweiz im Segment der Pendelbahnen einzigartig. Die beiden Streckenabschnitte sind 1'197 m respektive 1'208 m lang: Die Seildifferenz wird über die Zugseilspannanlage (eigentlich Gegenseilspannanlage) sowie über das mit Seilreitern dosierte Durchhängen des Zugseils auf der Strecke Stechelberg-Gimmelwald ausgegelichen. Für den unteren Abschnitt wurde ein, an der Fluhkante platzierter Stahl-Fachwerkmast mit beachtlicher Seilumlenkung benötigt; im oberen Abschnitt führen zwei Stahl-Fachwerkmasten das Seil.
Die unterste, V-förmig angeordnete Sektion der Schilthornbahn wurde in verschiedenen Etappen erneuert: 1986 wurde zwecks Leistungssteigerung die Antriebsgruppe einschliesslich Bremswerk ersetzt und zugleich wurden die Sicherheitseinrichtungen ausgewechselt. Aus diesem Jahr stammen auch die Laufwerke der Fahrzeuge, während die Fachwerkgehänge der Anfangszeit beibehalten worden sind. Der Ersatz der 100 Personen fassenden Kabinen (Hersteller: Gangloff) folgte 1995.
Charakteristisch für die Schilthornbahn war und ist neben der seilbahntechnischen Leistungen auch die hohe bautechnische Qualität der Hoch- und Tiefbauten der gesamten Seilbahnanlage. Die in anspruchsvollem, alpinem und hochalpinem Gelände ausgeführten Bauwerke zeugen trotz der jüngeren An- und Umbauten von einem gekonnten Dialog zwischen architektonischem Ausdruck und (seilbahn-)technischer Anforderung und zeichnen sich durch eine gleichzeitig einheitliche und differenzierte Formensprache aus.


Gesamtwürdigung

Seit 1967 ist das Schilthorn, mit 2973 Metern der höchste Gipfel der Berner Voralpen, durch mehrere aufeinander folgende Pendelluftseilbahnen in besonderer Anordnung von Stechelberg aus erschlossen: Der erste Abschnitt Stechelberg – Gimmelwald und Gimmelwald – Mürren wurde in V-Form mit einer in der Schweiz einzigartigen, spitzwinkligen Umlenkdisposition in der Zwischenstation realisiert; zum Gipfel folgen die Sektionen Mürren – Birg und Birg – Schilthorn. Die ersten zwei Sektionen konnten bereits 1965 eröffnet werden, die letzte Sektion zum Gipfel wurde 1967 in Betrieb genommen. Die Schilthornbahn, eine Kombination von Touristenbahn und öffentlichem Verkehrsmittel zur Erschliessung der Orte Gimmelwald und Mürren, wurde bei ihrer Erstellung als imponierende Leistung im Seilbahnbau gewürdigt und galt auch im internationalen Vergleich als Werk der Superlative. Sie war zu diesem Zeitpunkt die längste Seilbahn der Schweiz und stellte knapp 60 Jahre nach Inbetriebnahme des Wetterhornaufzugs (1908) einen weiteren Höhepunkt in der Geschichte des mechanisierten Alpentourismus und zugleich einen ebenso wichtigen Meilenstein der Herstellerfirma Von Roll dar. Charakteristisch für die Schilthornbahn ist neben der seilbahntechnischen Leistungen auch die hohe bautechnische Qualität der Hoch- und Tiefbauten. Die in anspruchsvollem, alpinem und hochalpinem Gelände ausgeführten Bauwerke zeugen trotz der jüngeren An- und Umbauten von einem gekonnten Dialog zwischen architektonischem Ausdruck und (seilbahn-)technischer Anforderung und zeichnen sich durch eine gleichzeitig einheitliche und differenzierte Formensprache aus.


Bewertung

Konzeption
Erschliessungsidee (Vision)herausragendZiel: Schilthorn; Umweg über Gimmelwald, da dieses Dorf fernab jeder öffentlichen Erschliessung war; Aufbau Skigebiet Schilthorn mit Gipfelrestaurant (Konkurrenzprojekt: Verlängerung Allmendhubel-Engetal)
Linienführung: Planung, Umsetzungherausragendursprüngliche Planung Stechelberg Dorf-Gimmelwald-Mürren verworfen, da Stechelberg-Dorf lawinenexponiert ist; Verschiebung des Standorts nach Norden, ein Landkauf, der Parkplätze ermöglichte, u. die Realisierung zweier gleich langer Strecken u. somit einer zusammenhängenden, günstigeren Zweisektionen-Linie; Stationen am Dorfrand bzw. ausserhalb der Siedlungskerne; geschickte Standortwahl
Seilbahntechnik
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, MaterialienherausragendPendelluftseilbahn mit besonderer Anordnung: V-Form mit Ablenkung in Gimmelwald; Kabinen hängen für beide Sektionen am gleichen Zugseil; je eine einspurige Strecke, ein Antrieb in Mürren; Tragseilabspannung jeweils in Berg- u. Talstation, Gegenseilabspannung in Talstation; Fahrzeuge mit relativ kurzen Fachwerk-Gehängen; konische Fachwerkstützen
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, HerstellerherausragendPrestigeobjekt der Fa. Von Roll; relativ frühe Grosskabinenbahn; Teilsektion der zur Erstellungszeit insgesamt längsten Luftseilbahn der Welt; die Kabinen gehörten zur Erbauungszeit schweizweit zu den Fahrbetriebsmitteln mit dem grössten Fassungsvermögen
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten
Ingenieurbauherausragendsowohl für die Seilbahntechnik als auch für die Hochbauten anspruchsvolle Bedingungen; hochalpine Bauwerke
Architektursehr hochDialog zwischen architektonischem Ausdruck u. (seilbahn-)technischer Anforderung: gekonnte Umsetzung, insbesondere bei der Umsteigestation Gimmelwald; einheitliche Formensprache bei den vier Stationsgebäuden Stechelberg, Gimmelwald, Mürren, Birg
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialiensehr hochBetonkonstruktion
bautypologische Bedeutungsehr hochBerg- u. Talstation Mürren mit Bahnzentrumsfunktion; spezifisch u. differenziert ausformulierte Anlagekomponenten aus der Erstellungszeit; nachträgliche Ergänzungen u. Einbauten
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung
Umfang und Qualität der ursprünglichen KomponentenhochSeilbahngrundprinzip u. Anordnung beibehalten, ebenso Stützen u. Stationsgebäude
Qualität der Nachrüstungenhoch1986 Haupterneuerungsphase: zahlreiche Komponenten wegen Leistungssteigerung u. neuen seiltechnischen Erkenntnissen ausgewechselt u. angepasst; Kabinenersatz 1995
funktionale Unversehrtheitherausragendals Zubringer u. Touristenbahn stark beanspruchte Anlage
Kulturgeschichte
Personen, Firmen, Institutionensehr hochbedeutendes Von Roll-Projekt; hervorragende Leistung des renommierten Von Roll-Ingenieurs Paul Zuberbühler
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militärherausragendwesentlicher Impuls u. notwendige Investition für den in der Entwicklung stagnierenden – autofreien – Kurort Mürren; Entlastung der Dorfschaft Lauterbrunnen in Bezug auf Parkplätze für Reisende in Richtung Wengen-Jungfrau
Räumliche Situation
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontextssehr hochan der Wand entlang; am Hang entlang; spannungsvoller Dialog zwischen technischem Eingriff u. spektakulärer Landschaft
Infrastruktur
touristische/betriebliche Infrastruktursehr hochRestauranttrakt u. Personalwohnungen in Bergstation; Teilsektion der Gipfelbahn; Skiliftanlagen vom Dorf Mürren aus
Verkehrsnetzesehr hochAutozufahrt Stechelberg u. Parkierungsmöglichkeit; Postautokurs, der die Verbindung zu den ab Lauterbrunnen nach Interlaken Ost (SBB) führenden Berner Oberland-Bahnen BOB herstellt; heute ist die SLMS von 20:00 - 24:00 die einzige Anbindung ans Unterland

Anhang 1: Technische Daten

Strecke

BetriebszweckTouristisch, Öffentliche Erschliessung
Streckenlänge (schief)2386 m
Höhendifferenz771 m
Längstes Seilfeld (schief)1108 m
Grösster Bodenabstand200 m
Neigung Maximal; Mittelwert486 o/oo; 467 o/oo
Spurweite (auf Stützen)7300 / 5750 / 5750 mm
Anzahl Stationen3
Anzahl Stützen3
Stützenbautechnik; StützenformStahl Fachwerk; T-Stütze
Stützen Hersteller1965; Von Roll

Hochbauten

Talstation Name; Konstruktion1965; Stechelberg; Massiv (Beton/Mauerwerk)
ArchitektWilly Bürgin, Zürich
Zwischenstation Name; Konstruktion1965; Gimmelwald; Massiv (Beton/Mauerwerk)
ArchitektWilly Bürgin, Zürich
Bergstation Name; Konstruktion1965; Mürren; Massiv (Beton/Mauerwerk)
ArchitektWilly Bürgin, Zürich

Seile

TragseiltypVollverschlossen
Tragseil Anzahl pro Spur; Durchmesser2; 42 mm
Zugseil Anzahl; Durchmesser1; 37 mm
Gegenseil Anzahl; Durchmesser1; 28 mm
Tragseil Spannseil Anzahl; Durchmesser2; 66 / 70 mm

Antrieb

Antrieb Ortin Bergstation
Motor Hersteller1986; BBC Baden
Antriebstyp; MotorleistungGleichstrom Ward Leonard WL; 650 kW
Getriebe Hersteller1986; Flender Bocholt D
Notantrieb für RäumungHydraulisch mit Verbrennungsmotor

Bremsen

Betriebsbremse1986; Scheibenbremsen
Sicherheitsbremse1986; Scheibenbremsen
Fangbremsen1986; Bremswagen

Mechanische Einrichtungen

Tragseil-SpannsystemGewicht Bergstation, Gewicht Talstation
Zugseil-SpannsystemGewicht Talstation

Elektrotechnische Einrichtungen

Steuerung Hersteller1986; BBC Baden
Kopierwerk1986; Digital
Fernüberwachungsanlage Hersteller1986; Gfeller Bümpliz
FahrregimeFernbedient durch Fahrzeugbegleiter
Kommunikations SystemTelefon, Funk, Sonnerie

Fahrbetriebsmittel

Anzahl1
Plätze / Fahrzeug100
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht8000 kg; 2500 kg
Kabinen Hersteller1995; Gangloff Bern
Kabinen Länge; Breite; Höhe6762 mm; 3600 mm; 2750 mm
Automatische Türenja
Gehänge Hersteller; Gehängetyp1965; Von Roll Bern; Fachwerk
Laufwerk Hersteller1986; Von Roll Bern
ZugseilbefestigungKlemmkopf

Förderleistung

Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit8 m/s; 4.7 Min.
Personenleistung; Jahresbeförderung Total600 Personen/h; 573000 Pers./Jahr
Jahresbeförderung Güter581 Tonnen/Jahr
Notwendiges Betriebspersonal3 Pers.

Anhang 2: Apparat

Bundesinventare
-ISOS (national)Gimmelwald (Gemeinde Lauterbrunnen) Weiler
-KGS 2009Objekt-Nr.: 9918 Luftseilbahn Stechelberg - Schilthorn, Kat. A
andere Inventare
-ISISObjekt-Nr.: 3822-13-0
Archive
-SWA BS Verkehr B 623 (Schilthorn AG Mürren)
Literatur
-Gruner, Georg; Stöcklin, Fritz; Zuberbühler Paul: Die Schilthornbahn. Eine Luftseilbahn im Berner Oberland, in: Schweizerische Bauzeitung SBZ, vol. 85(1967), p. 497-506
-Welz, Alfons: Die Schilthornbahn. In: Glasers Annalen. Zeitschrift für Eisenbahnwesen und Verkehrstechnik, 91(1967) Nr. 5, p. 145–150
-Bernet, Daniel: Von Morgan bis Bond - Schilthornbahn 1959-1969, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, 70. Jg.(2008), H. 3, p. 1-53
e-docs
-http://www.bahn-bus-ch.de/bahnen/schbm/foto-b.html

Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten

Jahre Graphik

Anhang 4: Relationen

HerstellerVon RollVon Roll Eisenwerke (Seilbahntechnik)
Paralelle Anlage71.049P-050Stechelberg - Mürren (direkte Linie), Mürren
Inventar Zusatzanlage71.077P-075Mürren - Birg, Mürren
Nächste Sektion
Inventar Zusatzanlage71.078P-100Birg - Schilthorn, Mürren

Anhang 5: Bildauswahl

Talstation Talstation Talstation
Perron Talstation Zwischenstation Zwischenstation
Bergstation Strecke Strecke
Stütze Kabine Kabine
Laufwerk Umformergruppe Ward-Leonard Motor, Getriebe
Seilführung Tragseil Spannschacht Kommandoraum



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