71.077 Mürren - Birg, Mürren, Pendelbahn


71.077Mürren - Birg
Pendelbahn

Ort, KantonMürren, BE
Koord. Talstation634.703/156.372 ; 1638 m.ü.M
Koord. Zwischenst.633.906/156.510 ; 1920 m.ü.M
Koord. Bergstation632.140/156.818 ; 2677 m.ü.M
EinstufungNational
Besuch10.09.2009 tb
Inventar23.11.2010 zk

BetreiberinSchilthornbahn
HerstellerVon Roll
wwwhttp://www.schilthorn.ch

Baujahr1965
Erstinbetriebsetzung1965
Umbauten1982; 2003

Situation

Beschreibung der Anlage

Die auf dem Gebiet der politischen Gemeinde Lauterbrunnen angelegte Schilthornbahn wurde aufgrund von verkehrstechnischen Bedürfnissen (Erschliessung des Dorfes Gimmelwald), aber auch zur Entwicklung des Fremdenverkehrs (Kurort Mürren) sowie zur Erschliessung eines der schönsten Aussichtsgipfels des Berner Oberlands errichtet. Die Bahn verbindet das Dorf Gimmelwald auf 1'286 m ü. M. einerseits mit der Ortschaft Stechelberg zu hinterst im Lauterbrunnental auf 867 m ü. M., und andererseits mit dem Kurort Mürren auf 1'638 m ü. M. (71.076). Diesem ersten Abschnitt schliessen zwei weitere Sektionen an, nämlich Mürren-Birg und Birg-Schilthorn (71.078). Die Gesamtanlage setzt sich aus drei verschiedenen Bahnsystemen zusammen.
Die Talstation Mürren, wo zugleich auch die Bergstation der unteren Sektion angeordnet ist, befindet sich am südwestlichen Rand des Dorfes, ausserhalb des Dorfkerns. Die Bergstation der Teilsektion Mürren-Birg steht auf dem markant aufragenden Felskopf Birg auf 2'677 m ü. M.. Dieser Bahnabschnitt, der als erste Sektion der Gesamtanlage dem Betrieb übergeben worden war, ist aus seilbahntechnischer Sicht als konventionelle, zweispurige Pendelbahn mit zwei Tragseilen pro Spur ausgeführt. Die von Mürren aus in westliche Richtung führende Linie erstreckt sich über 2'779 m und wird mit nur zwei Stützen bewältigt. Sie weist mit dieser Linienführung eine für die Zeit der Erstellung beeindruckende Maximal-Seilfeldlänge von 1'941 m auf. Die beiden T-Masten sind als Stahl-Fachwerkkonstruktionen ausgeführt; an der zweiten Stütze ist eine Zu- und Aussteigevorrichtung installiert, die jedoch heute nicht mehr in Gebrauch ist. Die Antriebsgruppe befindet sich in der Talstation; in der Gegenstation ist die mit einem direkt in den Felsen gesprengten, 21.5 m tiefen Gewichtsschacht ausgebildete Zugseilspannvorrichtung untergebracht. Die beiden Fahrzeuge wurden seit ihrer Inbetriebnahme 1965 vollständig ersetzt: Die mit einem Bremswagen ausgestatteten Laufwerke stammen einschliesslich Bremstechnik von 1982. Die von Garaventa gelieferten Gehänge und die 75 Personen fassenden Kabinen (Hersteller: Gangloff) wurden im Jahr 2003 montiert. Unter Beibehaltung des ursprünglichen Motors wurden Antriebs- und Bremstechnik 1982 umfassend erneuert. Im gleichen Jahr wurden auch die Steuerungs- und Sicherheitseinrichtungen überholt.
Charakteristisch für die Schilthornbahn war und ist neben der seilbahntechnischen Leistungen auch die hohe bautechnische Qualität der Hoch- und Tiefbauten der gesamten Seilbahnanlage. Die in anspruchsvollem, alpinem und hochalpinem Gelände ausgeführten Bauwerke zeugen trotz der jüngeren An- und Umbauten von einem gekonnten Dialog zwischen architektonischem Ausdruck und (seilbahn-)technischer Anforderung und zeichnen sich durch eine gleichzeitig einheitliche und differenzierte Formensprache aus.


Gesamtwürdigung

Seit 1967 ist das Schilthorn, mit 2973 Metern der höchste Gipfel der Berner Voralpen, durch mehrere aufeinander folgende Pendelluftseilbahnen in besonderer Anordnung von Stechelberg aus erschlossen: Der erste Abschnitt Stechelberg – Gimmelwald und Gimmelwald – Mürren wurde in V-Form mit einer in der Schweiz einzigartigen, spitzwinkligen Umlenkdisposition in der Zwischenstation realisiert; zum Gipfel folgen die Sektionen Mürren – Birg und Birg – Schilthorn. Die ersten zwei Sektionen konnten bereits 1965 eröffnet werden, die letzte Sektion zum Gipfel wurde 1967 in Betrieb genommen. Die Schilthornbahn, eine Kombination von Touristenbahn und öffentlichem Verkehrsmittel zur Erschliessung der Orte Gimmelwald und Mürren, wurde bei ihrer Erstellung als imponierende Leistung im Seilbahnbau gewürdigt und galt auch im internationalen Vergleich als Werk der Superlative. Sie war zu diesem Zeitpunkt die längste Seilbahn der Schweiz und stellte knapp 60 Jahre nach Inbetriebnahme des Wetterhornaufzugs (1908) einen weiteren Höhepunkt in der Geschichte des mechanisierten Alpentourismus und zugleich einen ebenso wichtigen Meilenstein der Herstellerfirma Von Roll dar. Charakteristisch für die Schilthornbahn ist neben der seilbahntechnischen Leistungen auch die hohe bautechnische Qualität der Hoch- und Tiefbauten. Die in anspruchsvollem, alpinem und hochalpinem Gelände ausgeführten Bauwerke zeugen trotz der jüngeren An- und Umbauten von einem gekonnten Dialog zwischen architektonischem Ausdruck und (seilbahn-)technischer Anforderung und zeichnen sich durch eine gleichzeitig einheitliche und differenzierte Formensprache aus.


Bewertung

Konzeption
Erschliessungsidee (Vision)herausragendZiel: Schilthorn; "Teilstrecke"; Aufbau Skigebiet Schilthorn mit Gipfelrestaurant u. Engetal (Konkurrenzprojekt: Verlängerung Allmendhubel-Engetal)
Linienführung: Planung, UmsetzungherausragendTalstation am Dorfrand; sehr langes stützenloses Feld (mit knapp zwei Kilometern schweizweit längstes in dieser Zeit); hoch ab Boden; imposanter Bergstationsstandort auf mächtig aufragender Felskuppe
Seilbahntechnik
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialiensehr hocheinzige Sektion mit traditionellem Pendelbetrieb in dieser Gesamtanlage; konische Fachwerkmasten im Bewusstsein der anspruchsvollen geologischen Bedingungen höher gesetzt; Ausstieg beim zweiten Masten (nicht mehr in Gebrauch); sämtliche Dimensionen waren zu dieser Zeit gigantisch (Spannschacht Birg); Antrieb in Talstation
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Herstellerherausragendzweispurige Personenpendelbahn als Teil des Prestigeobjekts der Fa. Von Roll, relativ frühe Grosskabinenbahn; Teilsektion der zur Erstellungszeit insgesamt längsten Luftseilbahn der Welt; ursprünglich Kabinen für 80, heute für 75 Personen
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten
Ingenieurbauherausragendsowohl für die Seilbahntechnik als auch für die Hochbauten anspruchsvolle Bedingungen; hochalpine Bauwerke
Architektursehr hocheinheitliche Formensprache bei den vier Stationsgebäuden Stechelberg, Gimmelwald, Mürren, Birg; Bergstation Beton Brut-Architektur in Analogie zum rohen Kalkfelsen
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialiensehr hochBetonkonstruktion
bautypologische Bedeutungsehr hochStation Mürren mit Bahnzentrumsfunktion; spezifisch u. differenziert ausformulierte Anlagekomponenten aus der Erstellungszeit; nachträgliche Ergänzungen u. Einbauten
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung
Umfang und Qualität der ursprünglichen KomponentenhochSeilbahngrundprinzip u. Anordnung beibehalten, ebenso Stützen u. Stationsgebäude
Qualität der Nachrüstungenhoch1982 Haupterneuerungsphase: zahlreiche Komponenten wegen Leistungssteigerung u. neuen seiltechnischen Erkenntnissen erneuert (z. B. ursprünglich zwei Zugseile); 2003 integraler Ersatz der Fahrzeuge
funktionale Unversehrtheitherausragendnach wie vor stark beanspruchte Touristenbahn
Kulturgeschichte
Personen, Firmen, Institutionensehr hochbedeutendes Von Roll-Projekt; hervorragende Leistung des renommierten Von Roll-Ingenieurs Paul Zuberbühler
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militärherausragendwesentlicher Impuls u. notwendige Investition für den in der Entwicklung stagnierenden – autofreien – Kurort Mürren
Räumliche Situation
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontextssehr hochzunächst am Hang entlang, dann freies Feld; imposante Konstellation Station Birg-Felsen
Infrastruktur
touristische/betriebliche Infrastruktursehr hochRestauranttrakt u. Aussichtsterrasse in Bergstation; Teilsektion der Gipfelbahn; Skipisten u. Aufzugsanlagen
Verkehrsnetzesehr hochzweite Sektion der Gesamterschliessung von Stechelberg zum Schilthorn; in Mürren auch Zustieg für Besuchende ab Lauterbrunnen, Grütschalp u. Winteregg per Lauterbrunnen-Mürren-Bergbahnen (Lauterbrunnen: Station Berner Oberlandbahnen BOB u. Parkierungsmöglichkeit)

Anhang 1: Technische Daten

Strecke

BetriebszweckTouristisch
Streckenlänge (schief)2779 m
Höhendifferenz1039 m
Längstes Seilfeld (schief)1941 m
Grösster Bodenabstand165 m
Neigung Maximal; Mittelwert422 o/oo; 403 o/oo
Spurweite (auf Stützen)10022 mm
Anzahl Stationen3
Anzahl Stützen2
Stützenbautechnik; StützenformStahl Fachwerk; T-Stütze
Stützen Hersteller1965; Von Roll

Hochbauten

Talstation Name; Konstruktion1965; Mürren; Massiv (Beton/Mauerwerk)
ArchitektWilly Bürgin, Zürich
Zwischenstation Name; Konstruktion1965; Suppenalp; Ohne Gebäude
Bergstation Name; Konstruktion1965; Birg; Massiv (Beton/Mauerwerk)
ArchitektWilly Bürgin, Zürich

Seile

TragseiltypVollverschlossen
Tragseil Anzahl pro Spur; Durchmesser2; 40 mm
Zugseil Anzahl; Durchmesser1; 32 mm
Gegenseil Anzahl; Durchmesser1; 35 mm
Tragseil Spannseil Anzahl; Durchmesser2; 65 mm

Antrieb

Antrieb Ortin Talstation
Motor Hersteller1965; ABB
Antriebstyp; MotorleistungGleichstrom Ward Leonard WL; 400 kW
Getriebe Hersteller1982; Flender
Notantrieb für RäumungHydraulisch mit Verbrennungsmotor

Bremsen

Betriebsbremse1982; Scheibenbremsen
Sicherheitsbremse1982; Scheibenbremsen
Fangbremsen1982; Bremswagen

Mechanische Einrichtungen

Tragseil-SpannsystemGewicht Talstation
Zugseil-SpannsystemGewicht Bergstation
Ein-/Aussteigemöglichkeit bei StützenKlapp-Podest

Elektrotechnische Einrichtungen

Steuerung Hersteller1982; BBC
Kopierwerk1982; Digital
Fernüberwachungsanlage Hersteller1965; Gfeller
FahrregimeGesteuert im Kommandoraum, Fernbedient durch Fahrzeugbegleiter
Kommunikations SystemTelefon, Funk, Video, Sonnerie

Fahrbetriebsmittel

Anzahl2
Plätze / Fahrzeug75
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht6000 kg; 5800 kg
Kabinen Hersteller2003; Gangloff
Kabinen Länge; Breite; Höhe5900 mm; 3240 mm; 2550 mm
Automatische Türenja
Gehänge Hersteller; Gehängetyp2003; Garaventa; Stahlblech genietet
Laufwerk Hersteller1982; Von Roll
ZugseilbefestigungKlemmkopf

Förderleistung

Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit10 m/s; 6.5 Min.
Personenleistung; Jahresbeförderung Total600 Personen/h; 455000 Pers./Jahr
Notwendiges Betriebspersonal2 Pers.

Anhang 2: Apparat

Bundesinventare
-KGS 2009Objekt-Nr.: 9918 Luftseilbahn Stechelberg - Schilthorn, Kat. A
Archive
-SWA BS Verkehr B 623 (Schilthorn AG Mürren)
Literatur
-Gruner, Georg; Stöcklin, Fritz; Zuberbühler Paul: Die Schilthornbahn. Eine Luftseilbahn im Berner Oberland, in: Schweizerische Bauzeitung SBZ, vol. 85(1967), p. 497-506
-Welz, Alfons: Die Schilthornbahn. In: Glasers Annalen. Zeitschrift für Eisenbahnwesen und Verkehrstechnik, 91(1967) Nr. 5, p. 145–150
-Bernet, Daniel: Von Morgan bis Bond - Schilthornbahn 1959-1969, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, 70. Jg.(2008), H. 3, p. 1-53
e-docs
-http://www.seilbahntechnik.net/de/lifts/1722/datas.htm
-http://www.remontees-mecaniques.net/bdd/reportage-1529.html

Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten

Jahre Graphik

Anhang 4: Relationen

HerstellerVon RollVon Roll Eisenwerke (Seilbahntechnik)
Inventar Hauptanlage71.076P-100Stechelberg - Gimmelwald - Mürren, Mürren
Vordere Sektion
Nächste Sektion71.078P-100Birg - Schilthorn, Mürren

Anhang 5: Bildauswahl

Talstation, Stütze Talstation, Stütze Talstation
Zwischenstation, Stütze Bergstation Bergstation
Perron Bergstation, Bergungsbahn Strecke Strecke
Strecke Aussicht Bergstation, Kabine Kabine
Kabine Gehänge, Laufwerk Seilführung
Tragseilverankerung Bergstation Zugseil Spannschacht Kommandoraum



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