Von der alten Schiffsanlegestelle Treib am Vierwaldstättersee führt eine elektrisch betriebene Standseilbahn auf die Geländeterrasse mit dem Dörfchen Seelisberg. Schon zu Beginn des Fremdenverkehrs war Seelisberg im Kanton Uri ein beliebter und vielbesuchter Kur- und Ausflugsort, der vorerst nur über einen steilen Pfad zu erreichen war. 1871/72 wurde eine Fahrstrasse zwischen Treib und Seelisberg erbaut. Zur noch besseren Erschliessung von Seelisberg lagen ab 1883 verschiedene konzessionierte Bahnprojekte vor, die aber nicht zur Ausführung gelangten. Die 1910 an Andreas Zwyssig von Seelisberg erteilte Konzession für den Bau einer elektrischen Drahtseilbahn wurde 1913 an ein Initiativkomitee unter der Führung von Dr. Leo Meyer in Altdorf übertragen. Das zur Ausführung bestimmte Projekt stammte von Ingenieur H.H. Peter, Zürich. Den mechanischen Teil und das gesamte Oberbaumaterial lieferte die Firma Bell, Kriens. Die Linie der 1914-1916 erbauten Standseilbahn führt von der Talstation zuerst gegen Westen durch den Treib-Wald, dreht dann langsam gegen Süden ab und erreicht in einer Rechtskurve die unmittelbar unter dem Dörfchen Seelisberg gelegene Bergstation.
Die Talstation mit ehemals offener Wartehalle ist in ihrer äusseren Erscheinung an das unmittelbar daneben stehende historische Gasthaus zur Treib (1482 erstmals erwähnt) angepasst. Die Bergstation mit Antriebsraum orientiert sich ebenfalls an der traditionellen Urner Bauweise und ist wie die Talstation vom Luzerner Architekten August Am Rhyn entworfen worden.
Die einspurige Standseilbahn mit Abt'scher Weiche über- oder unterführt mehrfach die Strasse Treib-Seelisberg. Das Bahntrassee führt durch Einschnitte sowie über Dämme und ist durchgehend auf einem Schotterbett verlegt.
Die zweiachsigen, mit Zangenbremsen ausgerüsteten Fahrgestelle der Firma Von Roll wurden 1965 in Betrieb genommen. Gleichzeitig wurden die alten hölzernen, je 60 Personen fassenden Wagenkasten durch zwei neue, in selbsttragender Metallkonstruktion ausgeführte Kabinen ersetzt. Die von der Firma Gangloff erstellten Wagenaufbauten mit je vier geschlossenen Abteilen weisen eine Kapazität von 80 Personen auf. Sie wurden 1992 fachgerecht renoviert.
Die Antriebsgruppe in der Bergstation erhielt 1968 einen neuen Motor und ein neues Getriebe. Die Betriebs- und die Sicherheitsbremse wurden 1997 ersetzt, gleichzeitig erfolgte der vollständige Ersatz der elektronischen Einrichtung. Die ganzjährig in Betrieb stehende Bahn hat durch die Eröffnung des Wegs der Schweiz im Jahr 1991 wesentlich profitiert.
Die Treib-Seelisbergbahn gehört zu den klassischen einspurigen Standseilbahnen mit Abt'scher Ausweiche, welche vom bekannten Ingenieur H.H. Peter projektiert und von der Firma Bell konstruiert wurden. Die elegant gekurvte Linienführung passt sich vorzüglich der terrassenförmige Geländebeschaffenheit zwischen Treib und Seelisberg an. Aufgrund der gut in die Landschaft integrierten Linienführung kommt die Anlage mit wenigen Streckenbauwerken aus. Im Weiteren bemerkenswert sind die von August Am Rhyn entworfenen Stationen in Art des Heimatstils. Sichtbare Manifestation der Nachrüstung von 1965 sind die beiden Wagen mit einem Fahrgestell der Firma Von Roll und einer Karosserie von Gangloff. In Verbindung mit der Vierwaldstättersee-Schifffahrt bildet die Standseilbahn einen wichtigen Zubringer zum beliebten Ausflugsziel und Ferienort Seelisberg.
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Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) | | Erschliessung Kur- u. Ausflugsort Seelisberg: 1883 erstmals formulierte Idee einer Bergbahn (Zahnradbahn) |
Linienführung: Planung, Umsetzung | | elegant gekurvte Linienführung an der terrassenförmig ausgebildeten Nordflanke des Zingelbergs; Minimierung der Höchststeigung |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | einspurige, elektrisch betriebene Standseilbahn im Pendelverkehr u. mit Abt'scher Weiche; Kreuzungen Fahrstrasse-Seilbahnlinie |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller | | gute Grundanlage von Bell, die 1965 von Von Roll nachgerüstet wurde; Planung des berühmten Bergbahningenieurs H.H. Peter, Zürich |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | | aufgrund gut in Landschaft eingegliederter Linienführung wenig Streckenbauwerke: einzelne Dämme u. Einschnitte |
Architektur | | Talstation: parallel zur historischen Stätte "Haus zur Treib" (1902 Rekonstruktion) situiert u. in Anlehung an dessen Formenvokabular ausgeführt; Bergstation bildet formal eine Einheit mit dem "Haus zur Treib" u. der Talstation |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | Mischbauweise: massiver Sockel (Natursteinmauerwerk) u. Oberbau in Holzkonstruktion; Heimatstilbau |
bautypologische Bedeutung | | Talstation: Typus des Aufnahmegebäudes mit integrierter Bahnmeisterwohnung u. separater Einsteigehalle; Bergstation: mit Antriebsraum u. Diensträumlichkeiten sowie separater Einsteigehalle |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten | | Linienführung, Unterbau u. Stationsgebäude: gut unterhalten u. gepflegt |
Qualität der Nachrüstungen | | Fahrbetriebsmittel mit Fangbremsen (1965), Antriebswerk (1968), Bremswerk u. Sicherheits- bzw. Überwachungskomponenten (1997); Fahrbetriebsmittel bereits mit beachtlichem historischem Wert; typischer Nachrüstungsprozess bei Seilbahnen |
funktionale Unversehrtheit | | seit 1932/33 Ganzjahresbetrieb; beliebte Ausflugsbahn |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | - | - |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär | | grosse Bedeutung als Zubringer u. insbesondere als Touristenbahn; Kur- u. Hotelbetrieb Seelisberg |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts | | gekurvte u. sanft steigende, der Topografie angepasste Linienführung; Beachtung des wertvollen landschaftlichen Kontexts als wesentliche Rahmenbedingung bei der Konzeption |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur | | zeitweilig Eingliederung Postlokal in Talstation, in Bergstation Bankfiliale |
Verkehrsnetze | | Schiffsroute: seit 1854 Anlegestelle der Vierwaldstättersee-Dampfschiffe; seit 1871 Fahrstrasse; per Autobus Zubringerdienst zum oberen Dorfteil |
Strecke | | |
Betriebszweck | | Touristisch, Öffentliche Erschliessung |
Streckenlänge (schief) | | 1135 m |
Höhendifferenz | | 330 m |
Neigung Maximal; Mittelwert | | 380 o/oo; 300 o/oo |
Spurweite | | 1000 mm |
Standseilbahnprinzip | | 2 Wagen mit Abtscher Weiche |
Unterbau | | Schotter, Mauerwerk |
Brückentypen | | Mauerwerk |
Anzahl Brücken | | 2 |
Längste Brücke | | 20 m |
Hochbauten | | |
Talstation Name; Konstruktion | | 1912; Treib; Holzbau, Massiv (Beton/Mauerwerk) |
Architekt | | August Am Rhyn, Luzern |
Bergstation Name; Konstruktion | | 1912; Seelisberg; Holzbau, Massiv (Beton/Mauerwerk) |
Architekt | | August Am Rhyn, Luzern |
Seile | | |
Zugseil Durchmesser | | 32 mm |
Antrieb | | |
Antrieb Ort | | in Bergstation |
Motor Hersteller | | 1968; BBC |
Antriebstyp; Motorleistung | | Gleichstrom Ward Leonard WL; 103 kW |
Getriebe Hersteller | | 1968; Bell Kriens |
Notantrieb für Räumung | | Durch Schwerkraft |
Bremsen | | |
Betriebsbremse | | 1997; Trommelbremse |
Sicherheitsbremse | | 1997; Trommelbremse |
Fangbremsen | | 1965; Zangenbremse auf Schiene |
Mechanische Einrichtungen | | |
Elektrotechnische Einrichtungen | | |
Steuerung Hersteller | | 1997; Sisgag |
Kopierwerk | | 1997; Digital |
Fernüberwachungsanlage Hersteller | | 1997; Sisag |
Signalübertragung | | Induktiv über Linienleiter |
Fahrregime | | Fernbedient durch Fahrzeugbegleiter |
Kommunikations System | | Telefon |
Fahrbetriebsmittel | | |
Anzahl | | 2 |
Plätze / Fahrzeug | | 80 |
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht | | 6500 kg; 9000 kg |
Automatische Türen | | nein |
Wagenaufbau Hersteller | | 1965; Gangloff, Bern |
Wagen Länge; Breite; Höhe | | 8000 mm; 2000 mm; 3000 mm |
Wagenaufbau Typ | | Metall |
Fahrgestell Hersteller | | 1965; Von Roll, Thun |
Fahrgestell Anzahl Achsen | | 2 |
Zugseilbefestigung | | Vergusskopf |
Förderleistung | | |
Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit | | 3.5 m/s; 8 Min. |
Personenleistung; Jahresbeförderung Total | | 655 Personen/h; 102000 Pers./Jahr |
Notwendiges Betriebspersonal | | 4 Pers. |
Bundesinventare |
- | BLN | Objekt-Nr.: 1606 Vierwaldstättersee mit Kernwald, Bürgenstock, Rigi |
- | IVS (national) | UR 11: Seedorf-Treib |
- | KGS 2009 | Objekt-Nr.: 5859 Wirtshaus zur Treib, Seelisberg, Kat. A |
Archive |
- | SWA BS Verkehr B 497 (Drahtseilbahn Treib-Seelisberg) |
Literatur |
- | Peter, H.H.: Die Drahtseilbahn Treib - Seelisberg, in: Schweizerische Bauzeitung, vol. 69(1917), p. 119-122, 129-134 |
- | 50 Jahre Treib-Seelisberg-Bahn 1916-1966, Altdorf 1966 |
- | Treib-Seelisbergbahn. Festschrift zum 75-Jahr-Jubiläum 1916-1991, Sachseln 1991 |
- | Gavazzi, M.: Die Bahn zwischen Berg und See, die TSB, in: Eisenbahn-Amateur, 1996/8, S. 494 |
- | Gavazzi, M.: (Noch) mehr Sicherheit für Treib–Seelisberg-Bahn, in: Eisenbahn-Amateur, 1998, S. 446 |
- | Urner Seilbahnverband (Hg.): Urner Seilbahnführer. In der Höhe schweben, Altdorf 2006, S. 38f |
e-docs |
- | http://www.seelisberg.com/index.php?option=content&pcontent=1&task=view&id=50&Itemid=88 |
- | http://www.ur.ch/dateimanager/tsbbild.jpg |
- | http://www.seelisberg.com/index.php/treib-seelisberg-bahn.html |