Von der alten Standseilbahn auf das Stanserhorn existiert heute nur noch die erste Sektion von Stans ins Kälti. Die oberen beiden Sektionen wurden 1975 durch eine Luftseilbahn ersetzt.
Ein Initiativkomitee unter dem Präsident Dr. Carl Odermatt (1851-1923) erhielt 1890 die Konzession zum Bau der Stanserhornbahn. Die Firma Bucher & Durrer wurde mit der Ausführung der Bahn, sämtlicher Betriebsgebäude und dem Gipfelhotel (1970 abgebrannt) betraut. Die von den beiden Geschäftspartnern Franz-Josef Bucher-Durrer (1834-1906) und Josef Durrer-Gasser (1841-1919) geplante und von 1891 bis 1893 gebaute Bahnanlage erhielt drei eingleisige Standseilbahnsektionen mit je einer Abt'schen Ausweiche in der Mitte. Anstelle des sonst üblichen Bremssystems mit Zahnstange kam hier erstmals die wohl von Josef Durrer-Gasser erfundene Schienenzangenbremse zum Einsatz. Die Ausführung des seilbahntechnischen Teils übernahm die Firma Bell & Cie, Kriens. Die Bauaufsicht führte im Namen der Bahngesellschaft der Ingenieur Ferdinand Businger (1839-1909) aus.
Die Linie der heute noch fast unverändert erhaltenen ersten Sektion beginnt im Hauptort von Nidwalden und führt in sanfter Steigung durch offenes Grasland zur gut 260 m höher gelegenen Station Kälti am Rand des Kniriwalds. Die Station Stans ist ein zweigeschossiger Holzbau mit Schmuckelementen in der Art des Schweizer Holzstils. Bei der Umsteigestation Kälti, die neben dem Antrieb eine kleine Wohnung enthält, handelt es sich um einen einfachen, eingeschossigen Holzpavillon mit Flachdach. Die beiden Bauten sind von der Chalet- und Parkettfabrik Bucher & Durrer geplant und ausgeführt worden. 1913 erhielt der ursprüngliche Flachdachbau der Talstation ein Viertelwalmdach. Der 1923 zur Ergänzung der Umsteigestation geplante kleine Turmaufbau mit geschweiftem Giebel wurde 1928 zur Aufnahme der neuen Hochspannungsleitung angepasst.
Die eingleisige, wenig gekurvte Stecke der erhaltenen ersten Sektion verfügt über einen geschotterten Unterbau. Als Streckenbauwerke erscheinen einzig zwei kleinere Brücken in Natursteinmauerwerk und ein 31 m langer Tunnel.
Die historischen Wagen besitzen originale zweiachsige Bell-Fahrgestelle, die erstmalig Zangenbremsen des Systems Bucher-Durrer, einer Weiterentwicklung der 1889 patentierten Zahnstange, enthalten. Die hölzernen, je 44 Personen fassenden Wagenkasten sind von der Parkett- und Chaletfabrik Bucher & Durrer gefertigt worden. Wagen 1 ist ein bestens erhaltenes Original aus dem Jahre 1893 (Original-Nachbau erfolgt im Winter 2010/11), der andere ein getreuer Nachbau von 2009.
Die Komponenten der Antriebsgruppe (Motor, Getriebe sowie Betriebs- und Sicherheitsbremse) und die Steuerung sind im Wesentlichen bei der Umrüstung 1990 ersetzt worden. Die hölzernen Zähne der grossen gusseisernen Antriebsscheibe mussten 1998 zum ersten Mal ersetzt werden.
Die Bahn von Stans nach Kälti mit den beiden originalgetreu nachgebauten hölzernen Wagen ist der letzte erhaltene Teil einer technikgeschichtlich bedeutenden Anlage, die Ende des 19. Jahrhunderts mit drei Sektionen und einer Steigung von bis zu 63% zur Erschliessung des Stanserhorns realisiert wurde. Die Stanserhornbahn war ein Gemeinschaftswerk der Bergbahnpioniere und Hotelkönige Franz Josef Bucher-Durrer und Josef Durrer-Gasser sowie der Firma Bell & Cie. Bei der erhaltenen ersten Sektion handelt es sich um eine klassische Standseilbahn mit Abt'scher Ausweiche, die bezüglich der Verwendung des Bremszangensystems nach dem Prinzip Bucher-Durrer als Prototyp gilt. Der Verlust des Hotel Stanserhorn durch einen Brand im Jahre 1970 und der Ersatz der beiden oberen Sektionen der Standseilbahn durch eine Luftseilbahn 1975 hat die Bedeutung der ersten Sektion als Zeugnis einer bedeutenden Epoche der Zentralschweizer Tourismusgeschichte noch erhöht. Die Bahn wird nach denkmalpflegerischen Standards mustergültig unterhalten.
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Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) | | Erschliessung des Stanserhorn-Gipfels für den Fremdenverkehr, in Konkurrenz zum Pilatus (nur Sommerbetrieb) |
Linienführung: Planung, Umsetzung | | unterste der drei je selbständigen Sektionen; eingleisige Anlage mit asymmetrischer Abt'scher Weiche; minim gekurvte Streckenführung in seilbahntechisch günstigem Terrain (wenig Kunstbauten) |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | eingleisige, elektrisch angetriebene Standseilbahn mit Abt'scher Weiche; Vereinfachung bei der Weiche aufgrund des Wegfalls der Zahnstange |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller | | Kombination von Sicherheits- bzw. Notbremse: erstmaliger Einsatz der Zangenbremse (Schienenfangbremse), einer Weiterentwicklung der 1889 patentierten Zahnstange (Patentschrift Nr. 1732, 27.12.1889) |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | | Einschnitte, Wegüber- u. unterführungen in sorgfältig gefügtem Natursteinmauerwerk |
Architektur | | prächtiges, 1913 nachträglich mit einem Viertelwalmdach ergänztes Stationsgebäude mit Wartesaal (EG) u. Wohngeschoss; offene Abfahrtshalle; schlichte Bergstation mit Antrieb u. offener Einfahrtshalle |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | heutiges Erscheinungsbild mit lokaler Ausprägung u. dem Heimatstil verpflichtet; Holzverzierungen (Schweizer Holzstil) aus der Erbauungszeit |
bautypologische Bedeutung | | als ursprünglicher Bestandteil der Bahnanlage komplett erhalten |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten | | seilbahn- u. technikgeschichtlich wertvollste Komponente – die Zangenbremsen – aus der ursprünglichen Erstellungszeit erhalten; Teillinienführung aus der Anfangsphase |
Qualität der Nachrüstungen | | Antriebsgruppe u. Steuerung 1990, Antriebsritzel mit offenem Holz-Zahnkranz 1998 erneuert |
funktionale Unversehrtheit | | nur noch ein Drittel der Gesamtlinie |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | | Bahnpioniere Bucher & Durrer: wegweisende Anlage |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär | | bedeutende Fremdenverkehrsanlage in der Zentralschweiz in Konkurrenz zum Pilatus |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts | | am Hangfuss; mehrheitlich im Wiesland, gut einsehbar; Talstation in Siedlung eingefügt |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur | | Kraftwerk bei Buochs, erbaut von Bucher & Durrer als erste Gleichstrom-Hochspannungsanlage der Schweiz (vgl. 61.006), 1963 Anschluss an das EWN-Netz in Stans; Wagenremise der Strassenbahn Stansstad-Stans für Revisionsarbeiten (Kauf 1920); Restaurant am Bahnhofplatz; zeitweilig Gastbetrieb Station Kälti; Hotel Stanserhorn nach Brand von 1970 1975 durch Neubau Restaurant ersetzt; weit leuchtender Scheinwerfer |
Verkehrsnetze | | Anbindung ans Strassenbahn-Netz (Anschluss Schiffsanlegestelle Stansstad); ab 1898 Stansstad–Engelberg-Bahn (StEB), heute Zentralbahn (zb) |
Bundesinventare |
- | ISOS (national) | Stans, Kleinstadt/Flecken |
Archive |
- | SWA BS Verkehr B 200 (Drahtseilbahn Stans-Kälti) |
Literatur |
- | Stans, INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920, Bd. 9, Zürich: Orell Füssli, 2003, S. 256-258, S. 286 |
- | Cubasch, Woldemar: Das Stanserhorn und die Stanserhornbahn, Europäische Wanderbilder, Nr. 224), Zürich: Orell Füssli, 1894 |
- | Connella, Giancarlo: Stanserhorn : Eine Bahn in zwei Generationen, Luzern: Maihof, 1976 |
- | Stadelmann, Werner: Schweizer Bergbahn-Pioniere, Chur: Calanda, 1994 |
- | Berger, Chr.: Die Bahnen auf das Stanserhorn, in: Eisenbahn-Amateur, 1995/9, S. 606 |
- | Schweizer Heimatschutz (Hg.): Die schönsten Verkehrsmittel der Schweiz, Zürich, 2007, S. 51 |
- | Berger, Chr.: Die alte Stanserhorn-Bahn, in: Géomatique Suisse, 5/2007, p. 226-229 |
e-docs |
- | http://www.bahn-bus-ch.de/bahnen/sthb/index.html |
- | http://www.funimag.com/suisse/stanser01.htm |
- | http://www.stanserhorn.ch/m171_m06/cms/DeOldtimer1.asp?Men=2698 |
- | http://www.remontees-mecaniques.net/bdd/reportage-431.html |