Ort, Kanton | Meiringen, BE | Koord. Talstation | 657.270/174.525 ; 600 m.ü.M | Koord. Zwischenst. | 656.962/174.019 ; 815 m.ü.M | Koord. Bergstation | 656.916/173.982 ; 844 m.ü.M |
| Einstufung | National | Besuch | 08.08.2008 zk pb rs eb tb | Inventar | 21.11.2010 zk |
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| Baujahr | 1899 | Erstinbetriebsetzung | 1899 | Umbauten | 1929; 1999 |
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Situation
Beschreibung der Anlage
Die Talstation der elektrisch betriebenen Reichenbachfallbahn befindet sich südöstlich von Meiringen, südlich der Aare, auf dem Gebiet der Gemeinde Schattenhalb. Die Standseilbahn geht auf die Initiative des Ingenieurs, Bauunternehmers und Hoteliers Elias Flotron-Willi (1858-1919) zurück und wurde mit der finanziellen sowie technischen Unterstützung der Hotel- und Bahnbaupioniere Franz Josef Bucher-Durrer (1834-1906) und Josef Durrer-Gasser (1841-1919) realisiert. Die Linie der 1899 eröffneten Standseilbahn folgt dem Reichenbach, überquert diesen und führt zum obersten und grössten Fall der spektakulären, siebenteiligen Reichenbach-Kaskade. Nebst der Erschliessung des Reichenbachtals diente die Anlage auch als Zubringer für die Kraftwerkszentralen Schattenhalb, deren Strom sie für den Betrieb benötigt. Am Streckenanfang steht ein gepflegtes halboffenes Talstationsgebäude mit feingliedrigen Schmuckelementen; eine offene, kraftwerkseigene Zwischenstation erschliesst die Kraftwerkszentrale und am Linienende bildet die an den Berg gebaute Antriebsstation den Kopf der Bahn. Die kurze, gekurvte Strecke der Reichenbachfallbahn ist eingleisig und hat eine asymmetrische Ausweiche nach Abt'schem System. Die Bahnlinie weist qualitätvolle Stahlbrücken auf. Die eindrückliche, aus der Ursprungszeit stammende Fachwerk- Zweigelenkbogenbrücke mit einer Spannweite von 46 m ist die längste der insgesamt fünf Brücken und repräsentativ für die Qualität der Streckenbauwerke und die Sorgfalt ihrer Ausführung. Die Fahrgestelle der zwei Wagen gehören wie die Linienführung, die Streckenbauwerke und ein Teil des Unterbaus zum ursprünglichen Bestand der Anlage (1897-1898). Die zweiachsigen, mit Zangenbremsen des Systems Bucher-Durrer ausgerüsteten Von Roll-Fahrgestelle wurden anlässlich der umfassenden Sanierung 1999 fachgerecht restauriert und instand gestellt. Die hölzernen, je 24 Fahrgäste fassenden Wagenkasten sind eine sorgfältige, nach historischem Vorbild erstellte Rekonstruktion. Die Komponenten der Antriebsgruppe entstammen im Wesentlichen den Umrüstungen von 1930/31 (Getriebe, Betriebs- und Sicherheitsbremsen) und 1957 (Motor); die Steuerung wurde 2004 erneuert. Die in eine eindrückliche Landschaft eingegliederte Drahtseilbahn, die heute der EWR Energie AG gehört, wird im Sommer touristisch, als historische Bahn betrieben; ferner funktioniert sie als Kraftwerksbahn.
Gesamtwürdigung
Die Reichenbachfallbahn, erbaut um den Touristen das Naturspektakel der Reichenbachfälle zugänglich zu machen, ist eine repräsentative Vertreterin einer klassischen Standseilbahn mit Abt'scher Ausweiche und Bremszangensystem nach dem Prinzip Bucher-Durrer. Die kurz nach der prototypischen Stanserhornbahn (1893) erstellte Anlage, die auf die Initiative des Hoteliers Elias Flotron zurückgeht und mit Hilfe der Unternehmer Franz Josef Bucher-Durrer und Josef Durrer-Gasser realisiert werden konnte, erinnert an einen Höhepunkt der Haslitaler Tourismus- und Wirtschaftsentwicklung. Im Sommer führt sie die Touristen in gemächlichem Tempo entlang des spektakulären Reichenbachs zum obersten Wasserfall; parallel zur touristischen Nutzung funktioniert sie seit 1926 als Zubringerbahn für die Kraftwerkzentrale Schattenhalb II der Elektrowerke Reichenbach AG. Sie weist einen aussagekräftigen Anteil an originalen Teilsystemen und Infrastrukturelementen auf und wird nach denkmalpflegerischen Standards mustergültig unterhalten und nachgerüstet. Technik- und kulturgeschichtlich von hohem Wert, ist die Reichenbachbahn ein herausragendes Beispiel eines fachgerecht sanierten und nach wie vor betriebenen technischen Denkmals in weitgehend intakter Umgebung.
Bewertung
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Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) | | Erschliessung des "obersten Reichenbachfalls" |
Linienführung: Planung, Umsetzung | | kurze, eingleisige, S-förmige Linienführung mit asymmetrischer Kreuzungsstelle (System Abt) |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | typische Standseilbahn mit Bremszangensystem nach dem Prinzip Bucher & Durrer (Vorbild Stanserhornbahn von 1893) |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller | | exemplarische, in wesentlichen Komponenten überlieferte Vertreterin einer Von Roll-Anlage der zweiten Standseilbahn-Generation |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | | elegante u. qualitätvolle, aus der Ursprungsphase stammende Brückenbauten (Stahlkonstruktion) |
Architektur | | sorgfältige, mit zeittypischen Schmuckelementen ausgestattete, teilrekonstruierte Talstation; formale u. funktionale Differenzierung zwischen Tal- und Bergstation (Empfang, technische Infrastruktur) |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | Holzkonstruktion |
bautypologische Bedeutung | | integraler Bestandteil der Anlage |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten | | aussagekräftige Substanz aus der frühesten Bauetappe (Linienführung, z.T. Unterbau, Fahrgestell, Streckenbauwerke) |
Qualität der Nachrüstungen | | wertvolle jüngere Teilsysteme (Antrieb und Bremsen, 1929, 1957); jüngste technische Nachrüstungen in Auseinandersetzung mit der überlieferten Substanz; fachgerechter Nachbau der ursprünglichen Holzwagen |
funktionale Unversehrtheit | | in stimmigem Ambiente als Touristenbahn (u. als Kraftwerksbahn) betrieben |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | | eine Unternehmung der berühmten Bergbahn- u. Hotelbaupioniere Bucher & Durrer; mit Beteiligung des Ingenieurs Elias Flotron |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär | | Erschliessung der Sehenswürdigkeit "oberster Reichenbachfall"; urspr. Hotelkontext |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts | | die Bahnlinie folgt dem Reichenbach u. überquert diesen; interessantes Zusammenspiel zwischen Naturspektakel u. technischer Anlage |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur | | Reichenbachfälle; Hotellerie; Kraftwerk;
Einzugsgebiet der nahen, touristischen Oberland-Tour: Lauterbrunnen-Meiringen (IVS: national) |
Verkehrsnetze | | Anschluss an Brüniglinie (eröffnet 1888): 1912-1956 Trambahn Meiringen Bahnhof-Reichenbach-Aareschlucht |
Anhang 1: Technische Daten
Anhang 2: Apparat
Bundesinventare |
- | KGS 2009 | Objekt-Nr.: 9921 Reichenbachfallbahn, Kat. A |
Kantonale Inventare |
- | BE: Kantonales Bauinventar, Gemeinde Schattenhalb | schützenswert |
andere Inventare |
- | ISIS | Objekt-Nr.: 3861-05-0 |
Literatur |
- | Hefti, Walter: Schienenseilbahnen in aller Welt, Basel, Stuttgart: Birkhäuser Verlag, 1975, S. 243 |
- | Stadelmann, Werner: Schweizer Bergbahn-Pioniere, Chur: Calanda, 1994 |
- | Werren, Peter; Werren, Regula: Drahtseilbahn zum Reichenbachfall. Das versteckte Kleinod im Haslital. 100 Jahre Bahngeschichte 1899-1999, Meiringen: Seilbahnverlag Werren, 1999 |
- | Fankhauser, U.: 100 Jahre Reichenbachfall-Bahn, in: Eisenbahn-Amateur, 1999/7, S. 434 |
- | Schweizer Heimatschutz (Hg.): Die schönsten Verkehrsmittel der Schweiz, Zürich, 2007, S. 39 |
- | Bumann, Damian: Seilbahntechnik im Dienste des Kraftwerkbaus, in: VTK/UCT 141, November 2009, p. 54-55 |
e-docs |
- | http://www.funimag.com/suisse/reichenbach01.htm |
Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten
Anhang 4: Relationen
Anhang 5: Bildauswahl