Ort, Kanton | Interlaken, BE | Koord. Talstation | 631.560/169.635 ; 565 m.ü.M | Koord. Bergstation | 631.500/169.480 ; 662 m.ü.M |
| Einstufung | National | Besuch | 11.09.2009 tb | Inventar | 20.11.2010 pb |
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| Baujahr | 1906 | Erstinbetriebsetzung | 1906 | Umbauten | |
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Situation
Beschreibung der Anlage
Die Wald- und Weidelandschaft rund um die Heimwehfluh, eine felsige Anhöhe an der Nordflanke des Grosse Ruuge, erhielt bereits in den Anfängen des Tourismus um 1860 ein ausgedehntes Netz von Spazierwegen. Später entstanden auf der Felsenterrasse ein Aussichtsturm und ein Restaurant. Schon bald folgte der Wunsch nach einer Bahn auf die aussichtsreiche Höhe. In der Folge wurden mehrere Projekte eingereicht, die aber nicht zur Ausführung gelangten. Erst das 1903 eingereichte Gesuch der Herren Ad. Michel, F. Mühlemann und Alb. Bürgi zum Bau einer Standseilbahn wurde vom Bund bewilligt.
Die Bauarbeiten an der Heimwehfluhbahn begannen im Herbst 1905 und oblagen den bekannten Ingenieuren und Bergbahnpionieren Emil Strub und H.H. Peter aus Zürich. Das Rollmaterial und den mechanischen Antrieb lieferte die Firma Von Roll, während die elektrische Einrichtung von der Firma Alioth in Münchenstein stammte.
Das auf dem Gebiet der Gemeinde Matten liegende Trassee der 1906 eröffneten Standseilbahn beginnt vor dem Eingang der Wagnerenschlucht an der Nordseite der Heimwehfluh. Sie führt unter Anschneidung der bewaldeten Felswand in einer kurzen, leicht gebogenen Linie zum bereits vor dem Bahnbau erstellten Restaurant.
Die beiden Stationsbauten stammen im Kern aus der Bauzeit. Die Talstation präsentiert sich als schlichter, bretterverschalter Ständerbau mit Wartehalle und Billettschalter. Die Bergstation ist ein zurückhaltender Riegbau auf massivem Sockel mit Wohnung im Obergeschoss und Antrieb im Untergeschoss.
Bei der Anlage handelt es sich um eine elektrisch betriebene Standseilbahn mit eingleisiger Strecke und automatischer Ausweiche nach dem System Abt. Eine kurze Brücke aus Natursteinquadern ist Teil des durchgehend gemauerten Unterbaus. Kurz vor der Bergstation durchquert die Linie eine Felsformation in einem markanten Einschnitt.
Die beiden zweiachsigen, mit Zangenbremsen ausgerüsteten Fahrgestelle der Firma Von Roll und die hölzernen, je 24 Personen fassenden Wagenkasten (erstellt von der Firma SIG) gehören zum Originalbestand. Die in der Bergstation zu bestaunende Antriebsgruppe (Motor, grosses offenes Getriebe sowie Betriebs- und Sicherheitsbremse) zeigt in allen wesentlichen Teilen den unveränderten Zustand von 1906. Erst 2007 wurde eine Fernüberwachungsanlage der Marke SISAG eingebaut.
Die gut in die Landschaft eingegliederte Standseilbahn führt zu einem schönen Aussichtspunkt mit Turm, Restaurant, Modelleisenbahn-Grossanlage (seit 1949), Bob-Run und Rodelbahn.
Gesamtwürdigung
Von allen schweizerischen Seilbahnanlagen weist die Heimwehfluhbahn, eine elektrisch betriebene Standseilbahn mit eingleisiger Strecke und Abt’scher Ausweiche, am meisten historische Substanz auf. Abgesehen von einigen wenigen, aus Sicherheitsgründen notwendigen Nachrüstungen präsentiert sich die Anlage noch im Originalzustand von 1906, was ihren ausserordentlichen technikgeschichtlichen Wert begründet und sie zu einer hervorragenden Vertreterin der Standseilbahnen der zweiten Generation macht. Besonders bemerkenswert sind der Maschinenraum im Untergeschoss der Bergstation mit dem in allen wesentlichen Teilen unveränderten Bahnantrieb sowie die beiden zweiachsigen, mit Zangenbremsen ausgerüsteten Fahrgestelle der Firma Von Roll und die hölzernen, je 24 Personen fassenden Wagenkasten. Gut und unauffällig in die Landschaft eingegliedert, wurde sie zur Erschliessung der Spazierwege auf der Heimwehfluh ob Interlaken errichtet und hat ihre Funktion als Ausflugsbahn in niedriger Höhenlage bis heute erhalten.
Bewertung
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Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) |  | Erschliessung des dem Rugen vorgelagerten Hügels Heimwehfluh bei Interlaken (Gem. Matten); Ergänzung zu den ab 1860 angelegten Wanderwegen |
Linienführung: Planung, Umsetzung |  | kurze, leicht gekurvte Linienführung |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien |  | repräsentative, integral überlieferte Standseilbahn mit eingleisiger Strecke, Abt'scher Ausweiche u. elektrischem Antrieb |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller |  | hervorragende Vertreterin einer Standseilbahn der zweiten Generation; einzigartige Von Roll-Anlage mit allen wesentlichen Komponenten |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau |  | Terrainanpassung: kurze Brücke, aus Natursteinquadern gefügt; Einschnitt in Felsen anstelle eines kurzen Tunnels |
Architektur |  | leicht purifizierte, aber im Kern aus der Bauzeit stammende Stationsbauten; Antrieb in Bergstation; Bergstation mit Wohnung |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien |  | Holzkonstruktion, urspr. wohl mit reicher Brettzier |
bautypologische Bedeutung |  | integraler Bestandteil der Seilbahnanlage mit beachtlicher Qualität |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten |  | Bergbahn der Schweiz, die am meisten historische Substanz aufweist |
Qualität der Nachrüstungen |  | Nachrüstungen auf sicherheitsrelevantes Minimum beschränkt – pragmatische Lösungen |
funktionale Unversehrtheit |  | in ihrer Funktion als Ausflugsbahn in niedriger Höhenlage einschliesslich zugehörigen Hochbauten vollumfänglich erhalten |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen |  | Planung u. Projektleitung der Ing. Emil Strub u. H.H. Peter aus Zürich |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär |  | wichtiger Teil des reichhaltigen Fremdenverkehrsangebots im Raum Interlaken |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts |  | gut in die Landschaft eingegliedert; sehr unauffällig; bei Bergstation hervorragende Aussicht (Bödeli, Aare, Jungfrau) |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur |  | (seit 1856) Gaststätte u. Aussichtsturm neben der Bergstation; Restaurant; Modelleisenbahn-Grossanlage von 1949/50 (Spur 0); Monorail u. Sommerrodelbahn |
Verkehrsnetze |  | heute an stark befahrener Strasse u. mit Parkplatz ausgerüstet; in einiger Distanz zum Bahnhof Interlaken West (Fussweg oder ÖV) |
Anhang 1: Technische Daten
Anhang 2: Apparat
Bundesinventare |
- | ISOS (national) | Interlaken (Interlaken, Unterseen), verstädtertes Dorf |
andere Inventare |
- | ISIS | Objekt-Nr.: 3801-01-0 |
Archive |
- | SWA BS CH SWA HS 346 (Drahtseilbahn Interlaken-Heimwehfluh AG ) |
Literatur |
- | Die Standseilbahn Interlaken-Heimwehfluh, in: Bergbahnen der Schweiz, Siebnen SZ: Obersee Verlag, 1959, p. 413-414 |
- | Häsler, H.: Die Heimwehfluhbahn, in: Eisenbahn-Amateur, 1996/4, p. 226 |
- | Rieker, R.: Heimwehfluh-Bahn Interlaken, in: Eisenbahn-Amateur, 2000/6, p. 362 |
e-docs |
- | http://www.moneyhouse.ch/u/v/drahtseilbahn_interlaken-heimwehfluh_ag_CH-092.3.005.422-8.htm |
- | http://www.bahnforum.org/index.php?page=Thread&postID=281696 |
- | http://www.seilbahn-nostalgie.ch/heimwehfluh.html |
- | http://www.funimag.com/suisse/heimwehfluh01.htm |
Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten
Anhang 4: Relationen
Hersteller | Von Roll | | Von Roll Eisenwerke (Seilbahntechnik) | | |
Anhang 5: Bildauswahl